Sei positiv. Denke positiv. Verkaufe positiv.

Auch Angst kann ein Conversion-Treiber sein!

Man kann ein Produkt textlich bewerben, indem man in den Vordergrund stellt, was der Käufer durch die Nutzung des Produkts gewinnt. Alternativ entwickelt man ein bedrohliches Szenario, das durch Nutzung des Produkts verhindert wird. Was die bessere Strategie für den Verkauf ist, lässt sich austesten. Ein bisschen über Moral sprechen, möchten wir an dieser Stelle allerdings auch.

Sei positiv. Denke positiv. Verkaufe positiv. Rede über Gewinne, die ein Angebot bringt. Rede nicht über Risiken, die sich mit einem Angebot vermeiden lassen. Letzteres bringt keine guten Gefühle. No good vibrations. Not at all. Das ist eins dieser Mantras, die mancher Werbeexperte so lange wiederholt, bis man laut ruft: Ja, ja, du hast recht. Aber jetzt sei still! SEI ENDLICH STILL. Jetzt.

Irgendwann hat man das Mantra völlig verinnerlicht: „Stelle dein Angebot positiv dar!“. Also schreiben Sie: „Zahnpasta XY. Selbst Raucher bekommen schöne Zähne. Und ein glückliches Lächeln.“ Sie schreiben nicht: „Gelbe Zähne machen hässlich. Verhindern Sie das: mit Zahnpasta XY“. Wir geben zu, dass unser Beispiel mit der Zahnpasta etwas drastisch ist, aber es macht deutlich, was wir meinen. Was meinen wir?

Wir meinen: Dass etwas wie ein Mantra wiederholt wird und irgendwann fast kritiklos als Wahrheit akzeptiert wird, bedeutet noch lange nicht, dass es sich auch um Wahrheit handelt. Bei der Sache mit den Positivnachrichten, die man bevorzugen sollte, könnte es sein, dass es sich NICHT um Wahrheit handelt. Indizien dafür liefert ein Artikel im Magazin „Spiegel“. Um Werbung und Marketing geht es bei dem Artikel allerdings nicht.

Was der Spiegel berichtet hat

Wie überzeugt man Kollegen von einem neuen Projekt?,fragte der Spiegel in einem „Denken Sie negativ“ betitelten Artikel Anfang Juni. „Mit dem zusätzlichen Umsatz bekommen wir vielleicht eine weitere Planstelle.“ Das war das Beispiel für eine Gewinn-Botschaft ( Wir machen dies und gewinnen das). „Ohne den zusätzlichen Umsatz können wir uns vielleicht in Zukunft nicht mehr so viele unterschiedliche Kaffeesorten im Büro leisten?“

Das ist das von Volker Kitz, dem Autor des Artikels, gewählte Beispiel für eine Aussage zur Verlustvermeidung. Kitz ist sich sicher: Effektiver ist Beispiel 2. Die Aussage zur Verlust-Vermeidung schlägt die zum möglichen Gewinn. Als Beleg für die Richtigkeit seiner Einschätzung nennt er ein Experiment mit Aussagen, die potenzielle Blutspender locken sollen. Die beiden Aussagen lauteten:

  • „Handeln Sie jetzt! Retten Sie jemandem das Leben!“
  • „Zögern Sie nicht! Helfen Sie, jemanden vor dem Tod zu bewahren!“

Wiederum war Aussage 2 die effektivere. Die Botschaft habe 60% mehr Menschen dazu gebracht, Blut zu spenden, schreibt Volker Kitz. Eine Ursache für die Ergebnisse sieht der Autor im Besitztumseffekt (auch: Endowment-Effekt). Laut Besitztumseffekt ist der wahrgenommene Wert eines Gutes höher, wenn man es besitzt, definiert Wikipedia. Das kann indirekt auch bedeuten, dass der mögliche Verlust von Besitz eine größere Motivation für einen Kauf ist als die Aussicht auf einen Gewinn.

Werbung: Gewinnaussicht… oder doch Verlustvermeidung?

In der Werbung kann man für zahlreiche Produkte und Dienstleistungen sowohl Gewinnaussichten aufzeigende Aussagen kreieren wie Aussagen, die Verlustvermeidung in den Vordergrund stellen. Beispiele gefällig? Bitte sehr:

  • Coole XY Streetwear – Alle werden dich beneiden! // Coole XY Streetwear. Jetzt kaufen! Oder bist du ein Verlierer?
  • Weiterbildung zum Gesundheitsmanager: Weiterbilden. Karriere sichern. // Weiterbildung zum Gesundheitsmanager: Wer stehenbleibt, wird abgehängt!

Noch ein Beispiel? Nehmen wir eine Garnier-Werbung für Anti-Falten-Creme. „Messbar gemilderte Falten“ lautet die Positivbotschaft.

Vielleicht wäre aber die Aussage „Sichern Sie sich die Jugend Ihrer Haut“ verkaufsfördernder? Auch hier gilt: Die eine Aussage verspricht einen Gewinn, die andere verspricht, vor einem Verlust zu bewahren. Ein weiteres Beispiel zeigt: Nicht immer sind Unterschiede in den Aussagen so deutlich wie in den geschilderten Fällen. Nehmen wir eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

  • CosmosDirekt schreibt: „„Sichern Sie jetzt Ihre Existenz beim Verlust der Arbeitskraft ab“.
  • „Berufsunfähigkeitsversicherung. Das Beste für einen gesicherten Lebensstandard!“, heißt es bei der Hannoverschen.

Im Prinzip geht es in beiden Fällen darum, etwas zu sichern: das Überleben und/oder den Lebensstandard im Fall der Berufsunfähigkeit. Durch die unterschiedliche Formulierung werden die Akzente dennoch jeweils etwas anders gesetzt. „Das Beste für einen gesicherten Lebensstandard!“ betont wieder den Gewinn (hier: von Sicherheit) während „Sichern Sie Ihre Existenz“ eher das abgewendete Risiko eines Verlusts der Existenzgrundlage in den Vordergrund stellt.

Wollen wir auch über Moral sprechen?

Ein ganz kleines bisschen sollten wir bei alledem vielleicht auch über moralische Fragen sprechen? Nur ganz kurz. Versprochen. Man muss sich bei Aussagen der Verlustvermeidung, die ein Produkt verspricht, bewusst sein, dass man im Extremfall Ängste schürt und Bedrohungsszenarien aufbaut, ohne dass dafür ein anderer Grund als der Wunsch besteht, etwas zu verkaufen. Sollte man so etwas tun: Sorgen und Ängste verstärken?

Falls ja, wo ist die Grenze? Wo handelt es sich bei Aussagen zur Verlustvermeidung um den berechtigten Hinweis auf bestehende Risiken und wo überschreitet man eventuell die Grenze zur Angstmacherei? Man kann es sich ganz einfach machen und sagen, dass man sich als Werber um solche Fragen nicht kümmern muss. Aber wir denken, dass man sich auch als Werber die Frage zumindest bisweilen stellen sollte, wenn es um Aussagen zur Verlustvermeidung geht. Pauschale Regeln zur Sache kann jedoch wohl niemand liefern. Wir… auch nicht.

Und was jetzt?

Lassen wir den moralischen Aspekt einmal beiseite, den SIE vielleicht nicht immer beiseite lassen sollten. Widmen wir uns hier rein der Frage, was verkaufsfördernder ist: die Gewinnaussicht oder doch die Aussage zur Verlustvermeidung? Das eingangs erwähnte Spiegel-Artikel bezieht, zumindest für die Arbeitswelt, klar Stellung. Sie sollten jedoch nicht so schnell mit einem Urteil sein. Es mag gute Argumente für die einen wie die anderen Aussagen geben. Wichtig für Sie ist: Man kann Produkte mit Aussagen zur Gewinnaussicht und zur Verlustvermeidung bewerben. Und es ist möglicherweise lohnenswert, einmal zu testen, was besser ist. Also: Testen Sie doch einmal. Denn: Wenn Sie es nicht testen, werden Sie schlechter sein, als Ihre Wettbewerber! 

Der Autor

Ansgar Sadeghi

Angar Sadeghi arbeitet bereits seit vielen Jahre als selbstständiger Online-Journalist und Texter. Ein Schwerpunkt seiner journalistischen Arbeit sind die Bereiche Online-Marketing und E-Commerce

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