Neuromarketing und Verkaufspsychologie

Websites und Conversion: 5 Tipps aus der Psychologie

Überzeugen ist mehr als Argumentieren. Der komplexe Vorgang findet ebenso auf der Gefühls- wie auf der Verstandesebene statt und er zielt nicht nur auf bewusste Entscheidungen, sondern auch auf unbewusste. Fünf Tipps zeigen, wie Websites den Besucher sanft führen und ihn ohne Text ansprechen, führen und/oder überzeugen.

Als Website-Betreiber träumt man vielleicht bisweilen von hypnotisierenden Websites? Es klingt ja zumindest verführerisch. Ein Besucher steuert die Website an, ein kleines Programm startet ein digitales Pendel und der hypnotisierte Besucher kauft. Nach dem Kauf wacht er auf und weiß, dass er gekauft hast, ist darüber glücklich, aber weiß nichts mehr von der Hypnose. Alle fühlen sich toll. Und der Umsatz stimmt.

Vielleicht wäre manch ein Betreiber einer kommerziellen Website ja wirklich glücklich über solch eine Möglichkeit, aber a) es gibt sie nicht und b) sie wäre wohl auch moralisch fragwürdig. Andere Arten der sanften Beeinflussung sind dagegen eher NICHT moralisch fragwürdig und möglich. Wir sprechen hier von Möglichkeiten, die psychologische Erkenntnisse nutzen.

Warum verhält sich ein Mensch so, wie er sich verhält? Das ist die grundsätzliche Fragestellung der Psychologie. Wie können Website-Elemente dazu beitragen, die Chance zu steigern, dass er sich so verhält, wie man es sich (als Website-Betreiber) wünscht? Das wiederum ist eine grundsätzliche Fragestellung des Onlinemarketings, das sich psychologischer Kenntnisse bedient. Sie führt zu vielen weiteren Fragen, auf die man Antworten finden könnte, um die Conversion-Rate einer Website zu steigern. Solche Fragen sind etwa:

  • Wie wecke ich bei dem Besucher meiner Website Neugier?
  • Welche Farben haben welche Wirkung? Welche Farbkombinationen passen am besten zum Angebot und tragen am ehesten dazu bei, den Besucher zum Kunden zu machen?
  • Wie lenke ich den Nutzer mit dem Einsatz von Farben, Bildern und Grafiken genau dahin, wo ich ihn haben möchte?
  • Schaffe ich es sogar, dem Besucher meiner Website das Gefühl zu geben, dass er etwas verpasst, wenn er nicht auf meiner Seite ist? Das Prinzip nennt sich „FOMO“ („Fear of missing out“).

Jetzt kommt die schlechte Nachricht, die vielleicht (allgemein betrachtet) gar keine schlechte ist. Es gibt KEINE Regeln, die Besucher geradezu dazu zwingen, zu konvertieren. Aber es gibt Ideen auf Basis psychologischer Erkenntnisse, die zumindest einmal einige Tests lohnen, weil sie Chancen auf eine gute Conversion-Rate steigern. Ob sie tatsächlich funktionieren, muss aber bei jeder Website mit jeder Zielgruppe neu ausprobiert werden. Aber das Ausprobieren kann sich lohnen. Das gilt auch für die fünf folgenden Tipps.

1) Überfordern Sie Ihre Besucher nicht

Viel Auswahl bedeutet viel Freiheit und viel Freiheit wird von Menschen immer als etwas Positives begriffen. Richtig? Nein. Nicht nur der Erfolg mancher Curated-Shopping-Angebote zeigt, dass Freiheit durch eine riesige Auswahl keineswegs immer geschätzt wird. Manchmal sind Onlineshops mit kleiner Auswahl viel erfolgreicher und manchmal kann es für Shop-Betreiber mit riesiger Auswahl sinnvoll sein, klar voneinander abgegrenzte Bereiche des Onlineshops zu schaffen, die jeweils eine überschaubare Auswahl bieten.

Dass eine reduzierte Auswahl von Vorteil sein kann, hat etwa die Columbia University in einer Studie bestätigt. Im Rahmen dieser Studie mussten sich die Teilnehmer aus einer vorgegebenen Zahl von Optionen entscheiden. Während eine Hälfte der Teilnehmer lediglich sechs Optionen zur Auswahl hatte, blieben der anderen Gruppe zwischen 24 und 30 verschiedene Auswahlmöglichkeiten.

Die Studie zeigte, a) dass die Gruppe mit weniger Auswahlmöglichkeiten nicht nur schneller eine Wahl trifft, sondern b) am Ende mit der Wahl auch weitaus zufriedener ist als die Teilnehmer der anderen Gruppe. Daher gilt: Überfordern Sie den User nicht und zeigen ihm schnell und einfach auf, welche Möglichkeiten er hat! Manchmal ist weniger mehr.

2) Der Blick lässt sich lenken

Dass große und gute Eyecatcher-Fotos oft dafür geeignet sind, die Aufmerksamkeit des Besuchers zu fesseln und ihn zum Bleiben zu motivieren, ist bereits Allgemeingut. Gerade Bilder mit Menschen als Motiv beweisen bei Eye-Tracking-Studien das Potenzial, zahlreiche Besucher zu binden. Daneben bieten sie aber auch die Möglichkeit, den Blick von Besuchern zu lenken, wenn man Bilder mit Menschen einsetzt, die auf einen bestimmten Bereich der Website blicken.

Schaut dieser Mensch etwa nach rechts, neigen viele Besucher dazu, ebenfalls nach rechts zu schauen. Prinzipiell funktioniert das auch mit anderen Richtungen, aber Achtung: Die typische Leserichtung in Deutschland ist von links nach rechts. Einem Blick nach rechts zu folgen entspricht dem, während das Folgen nach links die Richtung umkehrt. Der Widerstand, dem Blick in diese ungewohnte Richtung zu folgen, kann daher größer sein. Testen Sie, wie gut die Sache funktioniert. Oft lässt sich das „blickende Foto“ nutzen, um die Aufmerksamkeit beispielsweise auf den Call to Action zu lenken.

3) Leisten Sie kurz vor dem CTA nochmals Überzeugungsarbeit

Stellen Sie sich Ihre Website als einen steilen Hügel vor, auf dem ganz oben Ihr Call to Action (CTA) steht. Nehmen wir nun an, dass jedes den potenziellen Kunden überzeugende Element der Website ihn ein Stück weit nach oben Richtung CTA zieht. Folgt jedoch eine Zeitlang (wir sprechen hier bisweilen von Millisekunden) kein weiteres überzeugendes Argument, geht es wieder ein Stück abwärts und der Käufer entfernt sich von der Conversion.

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Kaufimpulse bisweilen nur kurzfristig wirken. Folgt dann nicht sehr schnell ein neuer Impuls, entfernt sich der Besucher wieder von der möglichen Conversion. Sie sollten daher überlegen, nahe am CTA (übertragen: kurz vor dem Gipfel) nochmals einige gewichtige Argumente für Ihr Angebot zu platzieren, damit die Conversion nicht kurz vor dem Ziel noch scheitert.

4) Ich MUSS das haben!

Wer an die Schlangen vor Apple-Shops denkt, wenn ein neues iPhone auf dem Markt kommt, oder an die Harry-Potter-Fans, die einem neuen Band entgegenfieberten, der weiß, dass Kunden Produkte manchmal nicht haben MÖCHTEN. Sie MÜSEEN sie haben. Sofort. Als erstes. Auch solch eine Gier kann man natürlich von mehreren Seiten sehen. Für eine Marke ist die Sache genial.

Wenn man es tatsächlich schafft, ein derart großes Begehren zu erzeugen, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Klar ist aber auch: Um solch ein Begehren zu erzeugen, muss man viel Geld und Zeit investieren und/oder viel Glück haben. Ein Großteil der Anbieter im Internet sollte eher nicht darauf bauen, mit Produkten ein ähnliches Begehren wie Apple oder Joanne K. Rowling mit Harry Potter zu erzeugen. Aber vielleicht lässt sich immerhin ein Begehren wie Ferrero mit Produkten wie Ferrero-Rocher wecken, für die es eine Sommerpause gibt, oder mit Tic Tac, bei dem es eine Sommeredition gab? Was man nicht dauerhaft haben kann, wird wertvoller.

Aldi, Tchibo und viele andere Händler nutzen das, indem sie regelmäßig Produkte anbieten, die man nur für eine kleine Weile bekommt. Hersteller von Markenprodukten bringen bisweilen Design-Varianten ihrer Marke heraus. Coca-Cola setzt zeitlich begrenzt auf individualisierte Produkte. Das hebt das Produkt aus der Masse von Produkten heraus. Das kann Begehren schaffen. Schaffen Sie Begehren. Sie brauchen nicht unbedingt ein iPhone dafür.

5) Das Webdesign hat (vielleicht noch mehr) Macht?

Ja, ja, wissen wir alle: Die ersten Sekunden auf einer Website entscheiden die Einstellung des Besuchers zur Seite und damit oft auch indirekt zum Seitenbetreiber. Manchmal werden Dinge so oft wiederholt, dass sie irgendwann banal klingen. Und wenn etwas erst einmal banal klingt, ist der Schritt nicht weit, es auch als unwichtig einzustufen, obwohl beispielsweise der Themenbereich „Webdesign“ alles andere ist als das.

EXKURS: Sätze, die oft wiederholt werden, klingen irgendwann banal und überzeugen nicht mehr oder wecken sogar Widerspruch, finden Sie nicht? Wenn Menschen täglich eingetrichtert wird, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist, wenn es jeder Experte, Werber und Politiker singt und Handlungsaufforderungen daraus bastelt, sehnt man sich dann nicht nach dem einen Rebell (der einen Rebellin), der endlich alles anders macht und das goldene Regelkorsett zerreißt? Wir glauben: Ja. Die Sehnsucht wird bei vielen groß. Das zu erkennen und zu wissen, wann man Korsetts zerreißen sollte, heißt, dem Zeitgeist voraus zu sein. Und das ist auch für Werber eine Gabe. Und für Designer. EXKURS ENDE.

Dass Webdesign entscheidend zum Website-Erfolg beiträgt, halten wir allerdings NICHT für ein Korsett, das es zu zerreißen gilt. Es ist eine oft wiederholte Aussage. Aber keine einengende, sondern wohl eine richtige. Das zeigt beispielsweise eine Studie der Marketing Agentur Kinesis aus Portland. 75% der Befragten in dieser Studie urteilen bereits auf Basis des Webdesigns über die Glaubwürdigkeit des Unternehmens, das die Website betreibt. Und 94 % beurteilten ein Unternehmen beim ersten Besuch ausschließlich anhand des Webdesigns.

Nun hat jede Studie ihre Tücken und man muss immer auch Grenzen ihrer Aussagekraft sehen. Aber die Indizien sind eindeutig. Es gilt noch immer! Bevor der erste Satz auf Ihrer Website Wirkung entfalten kann, hat der potenzielle Kunde unbewusst bereits wichtige Entscheidungen getroffen. Er mag sie oder nicht. Er glaubt ihnen. Oder nicht. Und je nachdem, wie die Entscheidung ausgefallen ist, müssen Ihre Argumente erst einmal eine Mauer der Skepsis niederreißen oder… kommen ganz bequem durch die Tür.

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