Hören Sie nicht auf Ihre Besucher!

Usability-Guru Jakob Nielsen schreib schon 2001 “Die erste Regel der Usability: Hören Sie nicht auf Ihre Besucher!”. Nein, Ihre Kunden lügen Sie nicht an! Davon gehe ich zumindest derzeit aus. Ich glaube, dass Sie nette Kunden haben, die immer gewillt sind, Ihnen die Wahrheit zu sagen.

Aber wenn Sie diese fragen, was an Ihrem Onlineshop verändert werden sollte, damit er besser, schöner und benutzerfreundlicher wird, dann werden sie Ihnen sagen, was sie denken. Anschließend verändern Sie Ihren Onlineshop vielleicht nach Kundenwunsch, freuen sich auf die gesteigerte Conversion-Rate und ärgern sich danach, weil die Steigerung ausbleibt.

Haben Ihre Kunden Sie angelogen? Wahrscheinlich nicht. Sie handeln nur bisweilen nicht nach dem, was aus ihrer eigenen Sicht benutzerfreundlich, wichtig, schön ist, weil im Ernstfall für sie – ohne dass es ihnen bewusst ist – andere Dinge benutzerfreundlich, wichtig, schön sind.

Wer nicht lügt, sagt dennoch nicht immer die Wahrheit!

Hier greift das sogenannte „State of the mind“ Problem. Aufgrund dieses Problems werden Befragungen von Kunden nach den aus ihrer Sicht wichtigen Features benutzerfreundlicher Onlineshops weitgehend wertlos. Mit „State of the mind“ Problem ist gemeint: Fragt man Kunden, die sich nicht gerade in einem Onlineshop auf einer Website befinden, was den Onlineshop für sie benutzerfreundlich machen würde, werden sie oftmals andere Kriterien als diejenigen in den Vordergrund rücken, die ihnen beim Kaufprozess dann tatsächlich wichtig sind. Warum? Dafür mag es mehrere Gründe geben:

  • Kunden reflektieren nicht immer, was sie tun und warum sie es tun. Sie erreichen einen Onlineshop im Internet und empfinden ihn als nicht attraktiv oder nicht benutzerfreundlich, können bisweilen aber keinen konkreten Grund dafür nennen. Das müssen sie ja auch nicht. Schließlich sind sie keine professionellen Onlineshop-Kritiker. Fragt man sie dennoch, was am Shop verbessert werden könnte, geben die ganz ehrlichen Befragten ein „Ich weiß es nicht“ zur Antwort. Die anderen versuchen eine detaillierte Antwort, die aber meistens eher in die Irre führt als zu helfen. Letzteres ist die schlechtere Alternative.

  • Legt man Kunden mehrere Website-Designs zur Entscheidung vor, welches das „beste“ ist, liegen bei der Auswahl oftmals ästhetische Kriterien im Vordergrund. Das „coolste“, „schönste“ Design gewinnt. Ob es auch das Design ist, das letztlich für die höchste Conversion-Rate sorgt, ist eine ganz andere Frage. Bei einer Befragung weiß der Kunde schlichtweg nicht, welche Variante ihm dann am Ende tatsächlich am meisten hilft, am besten gefällt und zum Kauf führt.

  • Fragt man Kunden nach den Kriterien, die aus ihrer Sicht eine benutzerfreundliche Website ausmachen, gibt es bisweilen einen Mix aus eigenen Ansichten und aufgeschnappten Informationen über angeblich benutzerfreundliche Websites zur Antwort. Sonderlich viel anfangen kann man auch damit nicht!

Kommunikative Kunden sind nur Teilgruppe der möglichen Kunden!

Selbst wenn eine Kundenbefragung oder ein Labor wertvolle Einsichten bringen könnte, würde ein anderes Problem den Wert der Befragung relativieren. Bitte man etwa Fans auf Facebook oder Stammkunden via Mail um eine Einschätzung, erhält man die Meinungen von Fans und Stammkunden, weiß aber beispielsweise nicht, ob Neukunden genauso denken. Und selbst wenn es nur um Stammkunden geht oder man mit der Bitte, Kriterien für benutzerfreundliche Websites zu benennen, im eigenen Onlineshop Neu- UND Bestandskunden anspricht, gibt es ein Problem. Diejenigen, die der Bitte nachkommen, sind eher selten ein repräsentativer Ausschnitt der gesamten Kundschaft. Die schweigende Mehrheit denkt eventuell ganz anders.

Am Ende bleibt nur der Test

Jakob Nielsen schlägt schon 2001 einige Lösungsvorschläge vor. Mittlerweile sind wir jedoch weiter. Statt „Paper Prototyping“ kann man auf ganze andere Möglichkeiten setzen: echtes Testing in der realen Situation. Dadurch fließt das wirkliche Verhalten der Kunden in eine Conversion-Optimierung ein. Im Gegensatz zum Abfragen von Meinungen bringt das wirklich wertvolle Ergebnisse für eine gute Conversion-Optimierung.

Der Autor

Julian Kleinknecht - Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht
Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht hat viele Jahre Erfahrung in den Bereichen Web-Analyse und A/B-Testing und teilt sein Wissen oft bei LinkedIn.

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