Bedeutung der Metrik "Conversion Rate"

93% Ihrer Besucher kaufen nicht. Na und?

Die Aussage, dass 93% der Besucher eines Onlineshops nicht kaufen, ist zwar aufmerksamkeitsstark – hat aber keine sinnvolle Aussage. Auch der Vergleich zu einem Ladengeschäft, bei dem viel mehr als 7% der Besucher auch tatsächlich kaufen, macht das nicht sinnvoller. Denn auch bei einem Ladengeschäft kaufen 93% (und vielleicht sogar mehr?) nicht. Glauben Sie nicht? Ist aber so!

„Marketing ist nicht alles, aber ohne Marketing ist alles nichts“ ist ein bekanntes Zitat, dessen Urheber ich leider kurzfristig nicht ausfindig machen konnte. Da Conversion-Optimierung eine Unterdisziplin des Online-Marketings ist, sind in diesem Bereich natürlich auch viele gute (Selbst-)Marketer unterwegs. Diese braucht es auch! Ein komplexes Thema wie Conversion-Optimierung muss amüsant und leicht verständlich dargestellt werden, damit es in die Köpfe der Marktteilnehmer und Entscheider sickert. SEO wurde genau aus diesem Grund lange vernachlässigt: viele Online-Marketing-Entscheider haben es schlichtweg nicht verstanden, da die Erklärungen zu technisch, komplex und unstrukturiert waren. Bei der Conversion-Optimierung ist dies anders: schon von Sekunde 1 waren sehr im Marketing erfahrene Player im Markt, die wissen, wie sie sich darstellen müssen, um aufzufallen.

Aus dem Zusammenhang gerissen und falsch zitiert…

Aus diesen beiden Strategien „auffallen“ und „den Entscheider ansprechen“ ist dann auch die Floskel „93% Ihrer Besucher kaufen nicht!“ entstanden. Da diese so „catchy“ ist, lässt sich der echte Urheber auch nicht feststellen. Das Zitat wird mittlerweile landauf landab verwendet, um zu erklären, wie wichtig Conversion-Optimierung ist. Aber: erklärt es das wirklich? Das Zitat alleine ist ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Es soll – in jeweils anderen Zusammenhängen – zeigen, dass ein Onlineshop besser sein kann, ja vielleicht sogar richtig schlecht ist. Denn: 93% der Besucher im Shop, laufen wieder weg und kaufen nicht – obwohl sie ja schon mal da waren! Können Sie sich das im realen Leben vorstellen? In einen Supermarkt gehen 100 Personen und 93 gehen dann wieder raus ohne etwas gekauft zu haben?

Sie haben vielleicht schon gemerkt: dieser Vergleich zwischen Supermarkt (oder gerne auch Kaufhaus) und Onlineshop hinkt schon nicht mehr, dieser Vergleich ist totaler Unsinn. Denn: Der stationäre Handel erfüllt eine ganz andere Funktion, als der Onlineshop. Der Besuch im Onlineshop (und da müssen die Onlineshop-Betreiber jetzt ganz stark sein) dient primär der Information, Recherche und Preisvergleich. Der Besuch im stationären Handel dient primär dem Kauf zur sofortigen Mitnahme – oft nach einer umfangreichen Onlinerecherche (vgl. ROPO-Effekt). Niemand geht erst in fünf Läden, um sich vor dem Kauf einer Hose über Modelle und Preise zu informieren. Sich aber man schnell durch fünf Onlineshops klicken, ist dann schon recht häufig.

Und schon sind wir bei zwei Grundlagen-Themen der Conversion-Optimierung: Externen Conversion-Faktoren (wie Preis, Verfügbarkeit, Image etc.) und Trafficqualität. Dies unterscheidet sich zwischen Onlineshop und stationären Handel enorm.

Unterschied: Handel vs. Onlineshop

Wo ist der stationäre Handel stark? Wichtig sind die Beratung und die Möglichkeit der Prüfung der Ware. Das Wichtigste ist aber: man kann die Ware sofort mitnehmen! Entsprechend ist die „Trafficqualität“ der Läden enorm: Geguckt wird draußen (Kaufhaus: Schaufenster, Supermarkt: Sonderangebotsflyer im Flaskasten vor der Tür). Rein geht nur, wer eine recht gute Kaufabsicht hat.

Das ist beim Onlineshop komplett umgekehrt: Wichtig sind gute Preise, ein breites Sortiment und viele Produktinformationen. Da man die Ware nicht sofort mitnehmen kann, kauft hier nur, wer etwas auf seinen Einkauf warten kann und auch den Umtausch per Post nicht scheut. Im Shop landen also viele, die gar keine Kaufabsicht haben und die man auch erstmal nur schwer zu Käufern machen kann.

Um nun wirklich einen Onlineshop und den stationären Handel vergleich zu können, müsste man auch alle potenziellen Kunden, die am Laden vorbei gehen, mit in die Rechnung einbeziehen. Denn diese Kunden werden beim Onlineshop ja auch mitgerechnet. Da ein Onlineshopbetreiber nicht nur Besucher im letzten Schritt der Customer Journey akquirieren wird, muss man den Onlineshop auch mit einem Laden vergleichen, der verhältnismäßig viel Publikum vor seiner Haustür hat. Und wenn man seinen eigenen Onlineshop dann beispielsweise mit dem Karstadt am Münchner Marienplatz vergleicht, wird man feststellen, dass es vollkommen normal ist, dass >90% der möglichen Kundschaft nur mal kurz ins Schaufenster gucken und dann weitergehen!

Soll Karstadt an den Arsch der Welt ziehen?

Würde der Karstadt nun lieber zu einer Lage wechseln, wohin man sich nur verirrt, wenn man wirklich kaufen will (Home24 würde es „den Arsch der Welt“ nennen)? Dann wäre die Rate der Käufer vergleichen mit denen, die sich an den Arsch der Welt verirren viel höher! Vielleicht würden dann nur 40% nicht kaufen! Lieber nicht… denn das könnte dem absoluten Umsatz richtig weh tun – es kommen dann nämlich einfach weniger Leute. Und dann wäre das kein „Na und?“-Thema mehr.

Der Autor

Julian Kleinknecht - Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht
Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht hat viele Jahre Erfahrung in den Bereichen Web-Analyse und A/B-Testing und teilt sein Wissen oft bei LinkedIn.

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