Zählen Sie Ihre Euros erst am Ende

Erst der Blick auf Retouren kürt A/B-Testsieger!

Bei manchen Produktgruppen ist die Retourenquote hoch. Deshalb kann man bei A/B-Tests für möglichst erfolgreiche Verkaufsseiten oft keinen Sieger küren, ohne sie zu berücksichtigen. Dieser Blogbeitrag präsentiert einige für Tests relevante Studienzahlen zum Thema Retouren. Er skizziert den Ablauf von Testings, die Retouren bei der Erfolgsmessung berücksichtigen, sowie Testideen, bei denen Retouren eine besondere Rolle spielen.

Ein Onlineshop testet zwei Varianten einer Produktdetailseite und kürt einen klaren Sieger: Variante A führt zu mehr Käufen, einer höheren Conversion-Rate und damit zu mehr Umsatz. Stop! Wenn sich bei Variante A viel mehr Retouren ergeben als bei Variante B, ist A vielleicht gar nicht mehr so erfolgreich. Im Extremfall zeigt sich im Nachhinein sogar, dass die ursprüngliche Siegerseite bei Berücksichtigung der Retouren schlechter abschneidet. Halten wir fest: Retouren können Ergebnisse von A/B-Tests verfälschen.

Retouren – das sagen Studien

Folgende Ergebnisse stammen aus der Studie „Retourenmanagement im Online-Handel – Das Beste daraus machen“ des Beratungs- und Forschungsinstituts ibi research an der Universität Regensburg. Laut dieser Studie:

  • kalkulieren knapp vier von zehn Kunden bereits beim Kauf die Rücksendung der Ware mit ein
  • erfassen 80 % der Onlinehändler die Retouren nicht getrennt nach Zahlungsverfahren
  • zählen 81% der befragten Händler eine detaillierte Produktbeschreibung und genaue Produktdarstellung zu den besten Maßnahmen für eine niedrige Retourenquote. 32% zählen Produktbewertungen durch Käufer dazu, 28% Hilfsangebote wie eine Hotline.
  • setzen 87% der befragten Händler tatsächlich auf eine detaillierte Produktbeschreibung und genaue Produktdarstellung, um Retouren zu vermeiden. 45% setzen auf die Angabe der Lieferverfügbarkeit im Shop, 43% auf das Angebot von Hilfestellungen und 28% auf Produktbewertungen durch Käufer. 8% passen die angebotenen Zahlungsarten an.

Weitere Zahlen kommen von Retourenforschung.de. Betreiber dieser Seite ist die Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Sie hat bei einer Verbraucherbefragung unter 538 Konsumenten zwischen 14 und 29 Jahren die sogenannte „Beta-Retourenquote“ der drei Produktkategorien

  • Consumer Electronics
  • Fashion und
  • Medien/Bücher

im E-Commerce ausgewertet und dabei auch Zahlungsarten (Rechnung, E-Payment, Vorkasse) berücksichtigt. Die Beta-Retourenquote gibt die Rücksendewahrscheinlichkeit eines einzelnen Artikels an, während die Alpha-Retourenquote die Rücksendewahrscheinlichkeit eines ganzen Pakets beschreibt.

Die Ergebnisse:

  • Rechnungskauf hat die höchste Retourenquote. Beispiel Elektronikgeräte: Hier lag die Rücksendewahrscheinlichkeit beim Rechnungskauf bei 18,60% und bei Vorkasse bei 8,59%, E-Payment lag mit 13,68% dazwischen.
  • Fashion hat die mit Abstand die höchste Retourenquote: Sie lag bei Vorkasse bei 30,15% und beim Rechnungskauf sogar bei 55,65%.
  • Medien/Bücher kommen dagegen nur auf 4,46% bzw. 11,45% Rücksendequote.

Retouren bei Tests berücksichtigen: aber wie?

Angesichts der Studienergebnisse macht es Sinn, Retouren bei manchen A/B-Tests in die Auswertung einzubeziehen. Dafür muss man jedoch jede Bestellung auch nach dem abgeschlossenen Checkout einer der beiden Seitenvarianten zuordnen können. Das funktioniert letztlich ähnlich wie bei der Bewertung von A/B-Tests auf Websites, die der Lead-Generierung dienen. Dort sollte jeder Lead eine ID erhalten, damit erkennbar bleibt, ob er durch Seitenvariante A oder B zustandegekommen ist. (Unser Praxisguide „Leadqualität in A/B-Tests messen“ beschreibt diese Vorgehensweise im Detail.)

Im Onlineshop klärt die Order-ID, ob der Kauf über Seitenvariante A oder B erfolgte, um später die Retouren von den jeweiligen vorläufigen Conversions abzuziehen.

Ablauf eines entsprechenden Tests (Beispiel: Produktdetailseite)

  1. Zwei Seitenvarianten werden getestet. Falls eine der beiden eine signifikant höhere Conversion-Rate aufweist, wird ein vorläufiger Testsieger auf Basis der vorläufigen Conversion-Raten ermittelt.
  2. Im Verlauf des Tests und in der Zeitspanne nach Testende, in der noch Retouren der von getesteten Seiten gekauften Waren möglich sind, werden diese Retouren dokumentiert und mittels ID einer der beiden Testvarianten zugeordnet.
  3. Am Schluss werden die echten Conversion-Raten ermittelt, die sich aus der Formel „(Anzahl der vorläufigen Käufe minus Retouren) x 100 / Anzahl der Seitenbesucher“ ergibt.

Auf dieser Basis lassen sich reale Conversion-Raten ermitteln. Im Extremfall ist dann statt der bisherigen Siegerseite aufgrund einer hohen Retourenzahl plötzlich die andere Seitenvariante besser. Eine mögliche Erklärung: Die vorläufige Siegerseite hat das Produkt übertrieben attraktiv dargestellt. Aber das geschah auf eine für viele Kunden derart verfälschende Weise, dass das Produkt den Erwartungen nicht gerecht wurde.

Eine durch Retouren komplett verändertes Ergebnis eines A/B-Tests mag selten sein. Aber es reicht ja bereits, wenn sich nach Berücksichtigung der Retouren herausstellt: Die Conversion-Rate der vorläufigen Siegervariante ist nicht signifikant, sondern nur geringfügig besser als die der anderen Variante. Möglicherweise sind die Unterschiede zufällig zustandgekommen. Auch in diesem Fall muss man das Testergebnis anders als zuvor bewerten, zumal jede Retoure mit Kosten verbunden ist.

Feedback vom Retourenmanagement holen

Damit Retouren bei A/B-Tests berücksichtigt werden, muss das Retourenmanagement ins Testing eingebunden werden: Diejenigen, die sich um die Retouren kümmern, müssen dafür sorgen, dass die Info „Retoure“ wieder beim Testing-Team ankommt. Das Team kann die Retoure dann anhand der ID der einen oder anderen Seitenvariante zurechnen.

Die Informationsweitergabe sollte auf eine sehr zeitsparende Weise möglich sein, um die Abläufe im Retourenmanagement nicht zu belasten. Möglich sind sowohl Hol- als auch Bringverfahren. Bei einem Holverfahren bekommt das Testing-Team Zugriff aufs softwaregesteuerte Retourenmanagementsystem und holt sich dort die relevanten Informationen. Beim Bringverfahren werden diese Informationen vom Retourenmanagement-Team dem Testinteam weitergeleitet.

Retouren senken, reale Conversion-Rate steigern

Es gibt Themenbereiche und Testideen, bei denen man besonders auf die Retourenquote achten sollte, um wirklich erfolgreiche Internetseiten zu ermitteln. Hier ein paar Beispiele:

Zahlverfahren

Testen könnte man, wie sich Hinweise auf Zahlungsarten (wie den überaus beliebten Kauf auf Rechnung) auf die vorläufige und die reale Conversion-Rate auswirken. Die Forschungsgruppe Retourenmanagement zeigt, dass die Art der Zahlungsweise erheblichen Einfluss auf die Zahl der Retouren hat. Bringt der prominent platzierte Hinweis auf Rechnungskauf vielleicht mehr vorläufige Conversions, aber aufgrund hoher Retouren weniger reale?

Kostenlose Retouren

Ähnliches gilt für kostenlose Retouren. Wer sie anbietet und das an prominenter Stelle seines Onlineshops kundtut, senkt die Hemmschwelle für eine Bestellung. Das könnte dazu führen, dass auch Personen bestellen, die gar kein wirklich großes Interesse am Produkt haben.

Produktfotos und Produkttext

Die Darstellung eines Produktes in Wort und Bild sollte so attraktiv wie möglich sein, damit sich eine gute Conversion-Rate ergibt? Wenn man Retouren nicht berücksichtigt, ja. Da man Retouren aber berücksichtigen sollte, kann die erfolgreichste Lösung nur in der richtigen Mischung aus einer möglichst attraktiven und realistischen Produktdarstellung liegen. Die Produktpräsentation sollte keine überzogenen Erwartungen wecken.

Der Autor

Philipp Ronicke - Geschäftsführer & Gründer

Philipp Ronicke
Geschäftsführer & Gründer

Philipp Ronicke ist Experte für Website-Konzeption und Conversion-Driven-SEO. Er beschäftigt sich seit 2004 mit der Entwicklung von Online-Projekten.

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