Conversion-Optimierung

Die Kunst des Storytellings: Warum gute Geschichten für mehr Conversions sorgen!

Es war einmal vor gar nicht langer Zeit, da sorgte ein Experiment für Aufsehen: Ein Verbund von Schriftstellern versteigerte bei eBay billigste Deko-Artikel ohne nennenswerten Material-, Nutz- oder Sammlerwert für teilweise mehr als das Hundertfache des Einkaufspreises. Ihr Geheimnis war Storytelling – die wohl älteste und am weitesten verbreitete Kommunikationsform der Menschheitsgeschichte. Warum kreative Geschichten für die Conversion-Optimierung von entscheidender Bedeutung sein können, soll im folgenden Artikel näher beleuchtet werden.

10.250 Prozent Gewinn dank Storytelling

Geschichten gab es bereits in den frühesten menschlichen Gemeinschaften. Die Menschen erzählten sie sich, um die Welt zu erklären. Sonne, Mond, Sterne, Gewitter, Dürreperioden – kurz gesagt: jedes unerklärliche Phänomen wurde in Mythen begreiflich. Storytelling im Marketing hat auf den ersten Blick nur wenig mit diesen antiken Mythen oder Märchen zu tun. Es bedient sich aber sehr ähnlicher Methoden und – das ist für die Conversion-Optimierung entscheidend – gleicht ihnen in seiner Wirkungsweise auf das menschliche Gehirn.

Denn Geschichten sind eine Form der Wissensvermittlung, die zum einen sehr leicht verständlich ist und zum anderen Erinnerungswerte beim Rezipienten schafft – der perfekte Rahmen für jede Kommunikations- und Content-Strategie! Erzählungen jeder Art begleiten nicht nur die Menschheit insgesamt, sondern auch unser eigenes Leben von Geburt an: Wir lernen Gute-Nacht-Geschichten bereits als Kleinkind kennen. Solche Erzählungen können emotional auf uns einwirken, Anknüpfungspunkte und Identifikationsflächen schaffen. Irgendwann erzählen wir sie weiter und begeistern nachfolgende Generationen mit den gleichen Geschichten.

Wie erheblich sich Geschichten auf die Conversion-Optimierung auswirken, zeigen die Beispiele eines Experiments: Im Rahmen des Projekts „Significant Objects“ wurden diverse Billigartikel (Spielzeug, Deko-Artikel, Geschirr ohne Materialwert) bei eBay verkauft. Im üblichen Einkauf waren die Objekte für umgerechnet zumeist rund einen Euro zu bekommen. Der Clou: Die Verkäufer fügten jedem Produkt eine persönliche, emotional aufgeladene Geschichte an Stelle einer generischen Beschreibung hinzu.

Allein durch diese Story konnte beispielsweise ein hölzerner Deko-Apfel (Originalpreis: 1 US-Dollar) für unglaubliche 102,50 US-Dollar verkauft werden – ein Gewinn von 10.250 Prozent! Ganz ähnlich sahen die Erlöse bei vergleichbaren Artikeln aus: Eine wenig geschmackvolle Pferde-Büste für 0,99 US-Dollar Einkaufspreis brachte mit Storytelling in der Beschreibung 62,95 US-Dollar ein. Die Beispiele zeigen, dass Geschichten Produkten einen besonderen Wert verleihen können. In gewisser Weise weihen die Erzählungen das Objekt und laden es mit einem höheren Sinn auf. Ähnlich funktionieren Götzen- oder Totemkulte in Kulturen rund um den Globus.

Storytelling aktiviert zahleiche Hirnregionen zugleich

Warum aber haben Geschichten solche tiefgreifenden Effekte, dass wir bereit sind, einen (nicht eben unerheblichen) Aufpreis für Produkte mit einer solchen zu bezahlen? Diese und ähnliche Fragen zur Wirkung von Geschichten haben auch die Neurowissenschaften beschäftigt: Unser Gehirn versucht – einfach gesagt – bei Lernprozessen immer auf Bestehendes zurückzugreifen, es versucht Verbindungen herzustellen und das Neue mit altem Wissen zu verknüpfen.

Erzählungen sind uns seit der frühen Kindheit bekannt, ihre Funktionsweise abgespeichert. Auf dieses Wissen kann man jederzeit zurückgreifen. Aber im menschlichen Gehirn passiert noch mehr beim Hören von Geschichten: Im Gegensatz zu beispielsweise trockenen Datenblättern mit Fakten und Produktspezifikationen aktivieren Erzählungen zahlreiche Hirnregionen zugleich.

Geschichten sprechen nicht nur das Broca-Areal (zuständig für Sprachverständnis) und das Wernicke-Zentrum (Sprachverarbeitung) an, sondern sie lösen ebenso Emotionen aus, wecken Erinnerungen oder rufen körperliche Reaktionen hervor. So können sie beispielsweise die Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin (Glückshormon) initiieren. Natürlich haben sie ebenso das Potenzial, uns zu Tränen zu rühren oder aufzuwühlen. Beim Lesen oder Hören von sinnlichen Wörtern wie „Kaffeeduft“ wird das olfaktorische Zentrum (zuständig für die Erkennung und Verarbeitung von Gerüchen) angesprochen und Metaphern wie „seidige Haut“ werden vom Areal für den Tastsinn verarbeitet.

Besonders wichtig ist, dass Geschichten auch die sogenannten Spiegelneuronen aktivieren. Diese sind immer dann aktiv, wenn etwas verstanden, nachgeahmt und miterlebt wird. Dies erklärt, weshalb Inhalte aus Geschichten meistens leichter erinnert werden als trockene Fakten, die keinerlei Anknüpfungspunkte für eigene Erfahrungen, Wünsche oder Eindrücke bieten.

Storytelling in der Praxis

Natürlich ist es für die wenigsten Unternehmen praktikabel, für jeden einzelnen Artikel in einem Onlineshop eine individuelle Story zu schreiben – der Aufwand ist immens, die Glaubwürdigkeit beim Weiterverkauf dritter Produkte nicht zwangsläufig gegeben. Stattdessen kann Storytelling zum Beispiel mit weniger Einzelaufwand kampagnenbasiert oder zur Kommunikation der Unternehmenskultur und -tradition zum Einsatz kommen.

Ein Beispiel: Ist ein Dachdeckerbetrieb schon in der dritten Generation im Einsatz, könnte man auf der Website Erfolgsgeschichten erzählen. Statt lediglich mit einer 100-jährigen Expertise zu werben, kann man auch erzählen, dass das Dach des Dorfrathauses vom Großvater des jetzigen Geschäftsführers gedeckt wurde und seit 70 Jahren Wind und Wetter standhält – sogar dem Jahrhundertsturm vor 20 Jahren trotzte es. Natürlich funktionieren solche Geschichten am besten, wenn sie der Wahrheit entsprechen – gute Stories müssen Kunden nicht nur emotional abholen, sondern auch authentisch sein.

Erzählungen, in denen eigene Produkte, Kunden oder Mitarbeiter die Hauptrolle spielen, sind zudem idealer Content, um sich von der Masse abzuheben: Sie sind persönlich, schaffen Nähe und Vertrauen und können beliebig von Neukunden weitererzählt werden. Die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens werden erleb- und erfahrbar. Das Rathaus in der Mitte des Dorfes kennt man weit über die Ortsgrenzen hinaus, potenzielle Kunden haben hier vielleicht geheiratet, sich als Jugendliche an dem Brunnen davor getroffen oder erinnern sich sogar noch an den schweren Sturm vor 20 Jahren. Die Anknüpfungspunkte für neue Geschichten sind bei gutem Storytelling endlos!

Welche Faktoren machen eine Geschichte „gut“?

Stichwort „gutes Storytelling“: Ein Pauschalrezept für hochwertige Stories gibt es nicht. Die Herausforderung ist, spannende Geschichten des Unternehmens, des Produkts, der Mitarbeiter oder der Kunden zu finden. Fakten rund um Produkte und Dienstleistungen müssen emotional erfahrbar gemacht werden, um die Conversions anzukurbeln. Kann ein Kunde die Geschichte eines Deko-Apfels nicht nachfühlen und/oder daran anknüpfen, wird er sich kaum dafür begeistern können – und erst recht keinen exorbitanten Aufpreis zahlen.

Es geht kurz gesagt darum, das „Besondere“ zu finden und zu kommunizieren. Die Form dafür ist offen: Storytelling funktioniert beispielsweise mit klassischen Erzählungen, als YouTube-Video oder als Social-Media-Post. Folgende Eigenschaften und No-gos können beim Aufstöbern und Aufbereiten der Geschichten helfen:

Eigenschaft Beispiele No-Gos
Leicht verständliche Form und zielgruppenrelevantes Medium
  • Einfache, gut lesbare Sätze
  • Multimediale Aufbereitung
  • Lange Schachtelsätze
  • Für die Zielgruppe irrelevante Kanäle
Starke Emotionen
  • Liebe
  • Trauer
  • Angst
  • Hoffnung
  • Fokussierung auf negative Gefühle
  • Keine positive Wendung
Glaubwürdige Figuren mit nachfühlbaren Konflikten und Erfolgen
  • Helden mit nachvollziehbaren Zielen
  • Identifikations-möglichkeiten
  • Blasse Protagonisten ohne Charakterzüge
  • Untypisches Verhalten
Spannungsbogen
  • Einstieg im bekannten Umfeld
  • Heldenreise mit klarer Mission
  • Erfolgreiches Meistern von
  • Bewährungsproben
    Erreichen des Ziels
  • Fehlende Konflikte
  • Negativer Ausgang
  • Keine Anknüpfungspunkte für Zielgruppe
Happy End
  • Offen und fortsetzbar mit eigener Geschichte
  • Verbesserung des Ausgangszustands
  • Moral der Geschichte
  • Keine tiefere Bedeutung für die Zielgruppe
  • Kein Bezug zum Anfang
  • Keine positive Veränderung

Viele Eigenschaften und Beispiele aus der Tabelle richten sich nach dem Schema der „Heldenreise“, das der US-amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell prägte. Die Heldenreise ist ein guter Leitfaden, um Geschichten und ihre beinahe universell gültige Struktur und Wirkungsweise besser zu verstehen.

Grob zusammengefasst laufen die erfolgreichsten Geschichten immer nach folgendem Schema ab: Nach dem Anfang in einer gewohnten Umgebung trifft der berufene und anfangs zögerliche Held einen Mentor, überschreitet Schwellen, meistert Bewährungsproben, gelangt an den gefährlichsten Punkt, bestreitet seine schwierigste Prüfung, erreicht sein Ziel, wird belohnt und kehrt erfolgreich zurück. Dass jenes Strukturprinzip von Campbell erfolgversprechend ist, zeigen allein die berühmten Beispiele „Star Wars“ und „Harry Potter“.

Beide Reihen funktionieren ebenso nach dem Prinzip der Heldenreise wie „Pretty Woman“ – um ein Beispiel mit realweltlichem Setting zu nennen.

Funktioniert Storytelling wirklich immer und überall?

Besonders in Zeiten von zunehmender Banner-Blindness, Ad-Blockern, abnehmenden TV-Zuschauerzahlen und einer allgemeinen Werbemüdigkeit sind kreative, fesselnde und interessante Geschichten Gold wert. Für die Conversion-Optimierung können sie – das zeigt das Projekt „Significant Objects“ – ein regelrechter Motor sein.

Allerdings gibt es auch Grenzen: Nicht für jede Zielgruppe sind Geschichten geeignet. Im B2B sollten Unternehmen genau abwägen, ob eine emotionale Aufbereitung von Informationen wirklich hilfreich ist oder ob hier nicht Fakten, Studien, Guides, Zahlen und Statistiken der bessere Content sind, um Kunden von der eigenen Expertise zu überzeugen.

Der Autor

Philip Koch

Philip Koch

Philip Koch ist Gruppenleiter in der Online-Redaktion von Performics – eine der größten Performance-Agenturen in Deutschland mit derzeit über 250 Mitarbeitern. Während seines Masterstudiums der Germanistischen Literaturwissenschaft an der Universität Greifswald beschäftigte er sich unter anderem mit Mythen und dem Effekt, den solche Geschichten auf eine Gesellschaft haben. Bevor er bei Performics in Berlin als Online-Redakteur anfing, arbeitete er in einem Greifswalder Literaturarchiv.

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