Praxisguide
Emotionen spielen bei allen menschlichen Entscheidungen eine große Rolle – auch für das Verhalten auf Websites. Positive Emotionen animieren Menschen oft zu annähernden Handlungen. Negative Emotionen führen dagegen zu Handlungslosigkeit, destruktivem Verhalten oder Rückzug. Unser Praxisguide zeigt Ihnen, wie Sie davon bei der Optimierung Ihrer Website profitieren können.
Autor
Julian Kleinknecht
Autor
Johannes Meixner
Emotionen spielen bei allen menschlichen Entscheidungen eine große Rolle – auch für das Verhalten auf Websites. Positive Emotionen animieren Menschen oft zu annähernden Handlungen. Negative Emotionen führen dagegen zu Handlungslosigkeit, destruktivem Verhalten oder Rückzug.
Was ist emotionale Optimierung?
Unter emotionaler Optimierung versteht man die Optimierung von Websites unter Berücksichtigung der emotionalen Wahrnehmung. Es können sowohl Laborverfahren als auch psychologische Effekte zur Generierung von Hypothesen eingesetzt werden.
Rolle der emotionale Optimierung im Optimierungsprozess
Ergebnisse aus Laborverfahren zur emotionalen Wahrnehmung sowie psychologische Effekte sind genauso wie alle anderen Analyseergebnisse zu behandeln: sie werden genutzt, um Hypothesen zu bilden und daraus Testkonzepte zu entwickeln. Diese werden dann in A/B- oder multivarianten Tests überprüft.
Zwölf emotionale Effekte und deren Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Grenzen der emotionalen Optimierung
Laborverfahren haben den großen Nachteil, dass nicht die eigentlichen Kunden untersucht werden, es nur eine geringe Stichprobe gibt und die Untersuchung in einer für die Versuchspersonen ungewohnten Umgebung geschieht. Die beschriebenen emotionalen Effekte wurden nur unter Laborbedingungen entdeckt und repliziert – sie können also nur schwer auf Websites übertragen werden.
Emotionen helfen uns, das Relevante vom Irrelevanten und das Gute vom Schlechten zu trennen. So dienen Emotionen als Grundlage für unsere Entscheidungen. Für die Konzeption von Websites heißt dies: Eine Website, die positive Gefühle bei den Besuchern hervorruft, hat eine größere Chance, dass die Besucher länger auf ihr verweilen, sich Besucher registrieren, etwas lesen, herunterladen – und schlussendlich kaufen. Auch kann dies die Bereitschaft fördern, sich auch mit neuen, komplizierten Inhalten zu beschäftigen und ungewöhnliche Dinge auszuprobieren.
Als Faustregel kann dabei gelten:
Diese grundlegende Regel trifft insbesondere zu, wenn der Mensch großer Belastung (beispielsweise durch eine „Informationsflut“) oder großem Druck (beispielsweise unter Zeitnot) ausgesetzt ist.
Die Optimierung unter Berücksichtigung der emotionalen Wahrnehmung ist deshalb eine Möglichkeit, den Erfolg einer Website zu steigern bzw. ein tieferes Verständnis für die Art der Interaktion der Besucher mit der Website zu gewinnen. Zur emotionalen Optimierung können sowohl Labor-Verfahren als auch Best Practices eingesetzt werden.
In diesem Praxisguide lernen Sie unter anderem:
Emotionen haben eine Auswirkung auf den Umsatz. Aktuelle Studien zeigen den Zusammenhang zwischen positiver emotionaler Wirkung und Umsatzsteigerung. Wir stellen zwei solcher Untersuchungen vor.
Ein Beispiel hierfür ist eine Studie aus dem Jahr 2013, die Hill & Levin mit TV-Spots, die während des Super Bowls liefen, durchgeführt haben. Die Forscher untersuchten diese Spots hinsichtlich ihrer emotionalen Wirkung. Dazu haben sie in dem so genannte Facial Action Coding System die mimischen Reaktionen der Betrachter kodiert.
Facial Action Coding System (FACS)
DasFACS ist ein von Paul Ekman in den 80er Jahren etabliertes Klassifikationssystem, das dazu dient Emotionsausdrücke zu kodieren. Die kombinierte Aktivität mehrerer Muskelpartien wird bestimmten Basisemotionen wie Trauer, Freude oder Ärger zugeordnet. Obwohl die Klassifizierung heutzutage in der Forschung immer noch relevant ist, findet sie im angewandten Kontext kaum Anwendung. Dies hat mehrere Gründe:
Ein Nachteil besteht in dem hohen zeitlichen Aufwand: Zwei unabhängige Experten benötigen zur Analyse von einer Minute Videomaterial rund zwei Stunden. Moderne Erkennungssoftware verkürzt diesen Prozess jedoch.
Es bleibt aber das Problem bestehen, dass das FACS nur intensive emotionale Reaktionen erkennen kann. Subtile, weil schwache und unbewusste emotionale Reaktionen wie sie im Online-Kontakt üblich sind werden nicht erkannt.
Die Feststellung der Forscher: Die Positivität der Emotionen, welche Betrachter spontan aufwiesen, sagte den Verkaufserfolg vorher. Kurz: Je positiver ein Spot wahrgenommen wurde, desto stärker stiegen die Verkaufszahlen im Anschluss an die Ausstrahlung des Werbespots (die Korrelation betrug r = .63 [1], der Signifikanzwert beträgt p=0,022).
In einer anderen Studie von McDuff und Kollegen (2013) wurde dieses Ergebnis bestätigt. Je positiver der TV-Spot, desto stärker stiegen die Verkaufszahlen. In der gleichen Studie verglichen die Forscher außerdem die Vorhersage durch die emotionale Kodierung mit der Vorhersage durch die Ergebnisse einer expliziten Befragung. Die Probanden wurden gefragt, wie hoch sie die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass sie das beworbene Produkt kaufen würden und wie sehr ihnen die beworbene Marke gefallen hat. Tatsächlich betrug die Korrelation zwischen den Umfragewerten und den Verkaufszahlen r = 0.00. Die Umfragewerte erlaubten also keine zuverlässige Vorhersage des Umsatzes.
In Anlehnung an die gerade beschriebenen Studien zu den TV-Spots wurde eine Untersuchung [2] für Landingpages durchgeführt. Es wurden dreizehn verschiedene Landingpages mittelständischer Unternehmen ausgewählt. Als Conversion-Ziel wurde ein Lead (in diesem Fall: Anforderung von Informationsmaterial) definiert. Die Landingpages priesen verschiedene Produkte und Dienstleistungen an: von Versicherungen, über Berufsausbildungen, bis hin zu Software-Paketen.
Auf Grundlage der Erfahrung von Conversion-Optimierern und gängiger Heuristiken wurde jeweils eine Testvariante erstellt und in einem A/B-Test gegen die ursprüngliche Landingpage getestet. In vier der dreizehn Tests führte die Testvariante zu einer höheren Conversion-Rate. In den restlichen vier Tests gewann die Kontrollvariante gegen die Testvariante.
In einer Testumgebung wurden die dreizehn Kontroll- und Testvarianten Freiwilligen vorgelegt. Die insgesamt 36 Testpersonen (18 Männer, 18 Frauen) im Alter von 20-35 Jahren sahen die Landingpages für jeweils zehn Sekunden. Mehr Zeit hat eine Webseite in der Realität kaum, um ihre Wirkung zu entfalten und das gewünschtes Verhalten zu begünstigen.
Faziale ElektroMyoGraphie (fEMG)
Die faziale Elektromyographie ist ein in den Neurowissenschaften etabliertes Messverfahren. Beim fEMG werden Biosignalsensoren über den Gesichtsmuskeln appliziert. Diese können sehr subtile, für die Augen unsichtbare, Reaktionen der Gesichtsmuskeln mittels elektrischer Muskelaktivität erkennen. Egal ob Menschen Musik hören, sich Filme oder Webseiten anschauen – jede Information wird emotional bewertet und löst unmittelbar und automatisch Aktivität über dem Lachmuskel (Zygomaticus Major) und über dem Stirnrunzler aus (Corrugator Supercilii). Die Modulation dieser Muskelaktivität „schwingt“ mit der emotionalen Wirkung der Musik, des Films und der Webseite mit.
Die wissenschaftliche Forschung der letzten Jahre hat immer wieder gezeigt, dass fEMG das einzige zuverlässige Maß ist, welches positive von negativen emotionalen Reaktionen zu unterscheiden vermag. Im Gegensatz zum FACS hat fEMG nicht den Anspruch Basisemotionen wie Trauer, Neugier, oder Wut zu messen. Stattdessen wird die basale Valenzdimension erfasst („mag ich“, „mag ich nicht“). Auch wenn fEMG durch biosignalanalytische Algorithmen computergestützt analysiert wird, bedarf die Präparation im Labor eines Experten.
Der große Vorteil ist jedoch die Zuverlässigkeit und Objektivität des Verfahrens. Der größte Nachteil ist, dass das Verfahren nur unter Laborbedingungen durchgeführt werden kann. Im Vergleich zum FACS liefert das fEMG weniger emotionale Parameter. Inwiefern die erfassten emotionalen Reaktionen dem Betrachter tatsächlich bewusst oder unbewusst sind, wurde bisher nicht untersucht – weder mit fEMG noch mit FACS.
Währenddessen wurden die spontanen emotionalen Reaktionen der Testnutzer mittels des fEMG-Verfahrens sowie der Messung des Hautleitwerts erfasst. Zusätzlich wurde ein Eye-Tracking durchgeführt. Durch die Kombination mit Eye-Tracking können die emotionalen Parameter räumlich lokalisiert werden. Dadurch kann festgestellt werden, welches konkrete Element zu welchem Zeitpunkt welche emotionale Wirkung entfaltet.
Im Anschluss an die Erhebung wurden die Messdaten mithilfe biosignal-analytischer Verfahren verarbeitet:
Signalfilterung: Es wurden Störsignale, zum Beispiel vom Monitor, entfernt.
Artefaktkorrektur: Husten oder Blinzeln produzieren ein messbares Artefakt, welches herausgerechnet wird. Sehr starke, weil willkürliche Aktivierungen wurden ebenfalls eliminiert.
Baselinekorrektur: In einer Ruhepause wird das Ruhesignal, die so genannte Baseline gemessen, welche signifikant überschritten werden muss, damit eine zuverlässige emotionale Reaktion detektiert wird.
Für jede Landingpage wird ein „Emotionsindex“ berechnet. Dieser setzt sich nach der Formel von Suri (2012) aus der Intensität (wie schwach oder stark war die Reaktion?) und der Valenz (war die Reaktion positiv oder negativ?) aller erkannten emotionalen Reaktionen zusammen. Die Formel lautet 0,53*Valenz + 0,24*Intensität. Der Emotionsindex wurde für jede Testperson berechnet, skaliert und über alle 36 Testpersonen gemittelt. Je mehr die Landingpage positive emotionale Reaktionen bei den Testpersonen hervorruft, desto höher ist der ausgewiesene Emotionsindex.
Das Ergebnis der Untersuchung: Bei zwölf der dreizehn Landingpage-Vergleiche wurde auf Grundlage des Emotionsindex der tatsächliche Gewinner des jeweiligen A/B-Tests richtig vorhergesagt. Insbesondere führte bei den vier Tests bei denen die Testvariante tatsächlich schlechter abschnitt, die Kontroll-Variante zu einem insgesamt stärker positiven Eindruck bei den Testpersonen.
Neben der Wichtigkeit von Emotionen für den Erfolg von Websites verdeutlicht die Untersuchung, dass nicht leichtfertig eine Variante ausschließlich basierend auf Erfahrungen und Heuristiken erstellt und getestet werden sollten.
Stattdessen sollten zur Conversion-Optimierung immer mehrere Varianten gegeneinander getestet werden. Nur so kann das Besucherverhalten gemessen und Vorlieben sowie Abneigungen erkannt werden. Auf Basis der gewonnenen Daten kann dann (ggf. in Verbindung mit anderen Daten über die Besucher und verschiedene Segmentierungsmethoden) die eigentliche Optimierung erfolgen. Wenn zusätzlich diverse Elemente der Variante gegenüber dem Original verändert worden sind, ist der A/B-Test reine Glückssache und kein übliches, erfolgsversprechendes Vorgehen.
Testvarianten sollten aufbauend auf den Stärken und Schwächen der aktuellen Seite erstellt werden. Üblicherweise lassen sich daraus zumeist mehrere Hypothesen ableiten, auf deren Basis verschiedene Varianten erstellt und gegeneinander verglichen werden können. Wie die Untersuchung zeigt können emotionale Analysen diesen Prozess effizienter gestalten, in dem zum einem eine zusätzliche Datengrundlage für die Hypothesengenerierung geschaffen wird.
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Wie kann man jedoch Hypothesen für Website-Tests im Sinne der emotionalen Optimierung generieren? Zu diesem Zweck kann auf bewährte psychologische Effekte zurückgegriffen werden. Diese werden in Website-Tests überprüft, um deren Einfluss zu prüfen und zu quantifizieren.
Conversion-Optimierung basiert, wenn sie richtig durchgeführt wird, auf vielfältig gesammelten Messdaten, die das Verhalten der Besucher „durchschaubar“ machen. Hierbei werden unterschiedliche Varianten einer Website gegeneinander getestet und so statistisch valide ermittelt, welchen Einfluss eine Veränderung an der Website auf das Besucherverhalten hat.
„Emotionale Optimierung“ bedeutet nun nicht, hiervon abzurücken. Im Gegenteil: Die statistisch valide Ermittlung des tatsächlichen Einflusses der – emotionalen – Gestaltung auf das Besucherverhalten ist sogar sehr wichtig. Denn positive Emotionen mögen sich zwar meist günstig auf das Besucherverhalten auswirken, aber nur eine genaue Messung dieses Einflusses auf die unterschiedlichen Ziele Ihrer Website (Micro- und Macro-Conversions) stellt sicher, dass sie eine iterative Optimierung auf die richtigen Ziele durchführen können.
Ergebnisse aus Studien zur emotionalen Wahrnehmung von Website sind deshalb genauso, wie alle anderen Analyseergebnisse zu behandeln: sie werden genutzt, um Hypothesen zu bilden und daraus Testkonzepte zu entwickeln.
Aus Sicht der emotionalen Optimierung betrachten Sie Ihre Webseite wie folgt:
Eine einzelne Webseite besteht aus vielen Elementen wie Navigationsleisten, Bildern, Titel, Logo, Testsiegel, Textboxen, usw. Die spezielle Zusammenstellung und Anordnung der Elemente auf einer Seite führt zu einem Gesamtbild – „der Webseite“. Jedes Element wird vom Besucher wahrgenommen (oder auch nicht) und löst bei diesem entweder positive oder negative emotionale Reaktionen aus.
Ihr Ziel sollte zunächst sein: Identifizieren Sie die emotional negativen und positiven Elemente auf Ihrer Seite.
Es gilt negative Elemente mit positiven auszutauschen oder gänzlich zu eliminieren. Negative Elemente wie ein hoher Preis oder eine lange Lieferzeit lassen sich in den meisten Fällen nicht entfernen. In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Anzahl positiver Elemente zu erhöhen um diesen Missstand auf dem Gefühlskonto auszugleichen. Folgende Daumenregel hat sich bewährt gemacht: drei positive Elemente gleichen ein negatives Element aus[3].
Im Folgenden stellen wir eine Reihe von psychologischen Effekten vor. Diese sind chronologisch geordnet – vom ersten Eindruck Ihrer Webseite, über das Lesen des Inhalts der Webseite bis hin zum Klick des Call-to-Actions.
Bei psychologischen Effekten handelt es sich um beobachtbare und unabhängig replizierbare Phänomene, welche auf die Arbeitsweise des menschlichen Geistes bzw. aus neurowissenschaftlicher Sicht auf die Leistung des menschlichen Gehirns zurückgeführt werden. Zur Erklärung dieser Phänomene werden bestimmte Konzepte herangezogen, wie z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder eben Emotionen. Tatsächlich sind an den meisten psychologischen Effekten mehrere dieser Konzepte beteiligt. Beispielsweise ist der Primacy-Effekt ursprünglich aus der Gedächtnisforschung hervorgegangen; jedoch spielt auch das Konzept der Emotion und daran eng gekoppelt das Konzept der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle. Da Emotionen, wie oben gezeigt, Entscheidungen und Verhalten im starken Maße bestimmen, fokussieren die aufgelisteten Effekte vornehmlich auf emotionale Faktoren.
Zu jedem Effekt gehen wir auf die psychologischen Hintergründe ein, geben Beispiele aus der Praxis und konkrete Tipps zur Generierung von Hypothesen für A/B- und multivariate Tests.
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Allgemeine Beschreibung
Der erste Eindruck bestimmt in entscheidendem Maß den Gesamteindruck. Beim Primäreffekt (engl. primacy effect) handelt es sich um ein psychologisches Gedächtnisphänomen. Der Effekt besagt, dass sich an früher eingehende Informationen besser erinnert wird als an später eingehende Informationen. In seinen Selbstversuchen Ende des 19. Jahrhunderts konnte Hermann von Ebbinghaus nachweisen, dass die ersten (und letzten) Informationen einer gelernten Wortliste leichter abzurufen sind als Informationen aus der Mitte.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Den zuerst wahrgenommenen Elemente einer Webseite wird also eine besondere Bedeutung verleihen. Gedanken und Gefühle zu diesen primär wahrgenommen Elemente werden nach dem Verlassen der Webseite nicht nur leichter bewusst erinnert, sondern haben auch in zukünftigen Situationen implizit ein besonders starkes Gewicht auf den Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozess der Besucher.
Sie sollten deshalb sicherstellen, dass die primären Informationen mit positiven Emotionen verknüpft sind. Ist der erste Eindruck hingegen stark von negativen Gefühlen begleitet, verschwindet der Besucher gegebenenfalls sofort von Ihrer Webseite und wird niemals überhaupt die Möglichkeit haben, sich für eines Ihrer Produkte zu entscheiden.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
In neurowissenschaftlichen Kreisen wird das Gehirn häufig als eine „prediction machine“ (engl., Vorhersagemaschine) bezeichnet. Unser mentales System bildet ständig Erwartungen und Vorhersagen darüber, welche Ereignisse als nächstes eintreffen werden. Im Licht der Evolutionstheorie ist dies äußerst sinnvoll, denn reagiert man auch nur einen Bruchteil einer Sekunde zu spät, kann man schon von einem Angreifer erfasst werden.
In der psychologischen Forschung wurde diese Eigenschaft des Gehirns gezeigt. Erwartet ein Proband in einem psychologischen Experiment die Farbe Rot, erscheint aber Grün, dann reagiert er im Schnitt (je nach Person und Verfassung) zwischen 20 und 200 Millisekunden langsamer. Hierbei spricht man von einem „Mismatch-Effekt“ – die Erwartung stimmt nicht mit dem tatsächlichen Ereignis überein. In Situationen in denen ein Mismatch zwischen Erwartung und Ereignis auftritt, antwortet das mentale System mit negativen emotionalen Signalen. Stimmt hingegen die Erwartung mit dem Ereignis überein, reagieren die Probanden wesentlich schneller und das mentale System wirkt belohnend. Diese Erwartungen wirken ständig und implizit und sind uns häufig nicht bewusst.
Auf welcher Grundlage trifft das mentale System Vorhersagen? Hier gibt es drei Prinzipien, die zum Einsatz kommen:
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Dem mentalen System des Besuchers sollte also geholfen werden sollte, seine Erwartungen und Vorhersagen zu erfüllen. Das mentale System Ihres Besuchers verfügt über einen Prototypen, wie Ihre Seite auszusehen hat, welche Informationen darauf zu finden sind und wie die Menüsteuerung zu funktionieren hat.
Eine Übereinstimmung zwischen den Erwartungen des Nutzers und dem visuellen Erscheinungsbild der Webseite führt zu positiven emotionalen Reaktionen. Sie signalisiert: „Hier bin ich richtig!“. Ein Mismatch führt zu negativen Reaktionen. Der Besucher fühlt sich „hier falsch“ und verlässt Ihre Webseite ohne eine Aktion ausgeführt oder weitere Inhalte gelesen zu haben.
Anhand der Website von Lieferando kann dies erläutert werden. Ein großes Bild von appetitlich angerichteten Spaghetti und eine gut lesbare, große Überschrift „Abendessen finden“ signalisieren Besucher auf der Suche nach einem Lieferservice, dass sie hier richtig sind. Bei Lieferando gibt es einen starken Match zwischen der Landing Page und dem Bild im Gehirn des Konsumenten. Dies führt zu einer unmittelbar positiven emotionalen Reaktion.
Neben der Überschrift spielen auch visuelle Inhalte eine entscheidende Rolle für den Match-Effekt. Warum? Der gesamte okzipitale Bereich des Neocortexes sowie viele parietale Areale und weitläufige Netzwerke, die bis in den frontalen Bereich der Hirnrinde hineinragen, sind an der Verarbeitung visueller Inhalte beteiligt. Dies enspricht mehr als 50% unseres Gehirnvolumens. Dementsprechend leicht fällt es uns Bilder zu verarbeiten. Lieferando signalisiert „leckeres Essen“ sehr gelungen durch das Pasta-Motiv. Die positive emotionale Reaktion (im Screenshot des Ergebnisses des fEMG in pink dargestellt) transferiert dadurch auf den Eingabebereich des Call-to-Action.
Zum Vergleich eine Landingpage, bei der Lieferando ein „Burger-Motiv“ verwendet. Wie man der emotionalen Analyse entnehmen kann, löst der Burger beim Betrachter negative Signale aus (blau). Erklärt man dieses Ergebnis mit dem Message-Match-Effekt, geht man davon aus, dass die Erwartungen des Nutzers, das heißt seine implizite Repräsentation der Webseite nicht mit der tatsächlichen Gestalt der Webseite übereinstimmt. Die Folge sind negative emotionale Signale. Offensichtlich sind die Spaghetti näher an der internen Repräsentation des Nutzers. Wieso nun gerade die Spaghetti und nicht der Burger den unbewussten Erwartungen der Nutzer entsprechen, lässt sich nur vermuten.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Wissenschaftliche Studien an der Humboldt-Universität zu Berlin legen nahe, dass die Stärke der emotionalen Signale, die das Gehirn sendet, proportional mit der Schriftgröße steigt.
Indiziert wurde das über den Hautleitwert, ein Maß zur Erfassung der emotionalen Intensität einer Stimulation. Bayer und Kollegen (2012) zeigten ihren Probanden emotionale Wörter wie zum Beispiel: „Sonne“, „Strand“, „Liebe“, „Krieg“, „Hunger“ und „Spinne“ in verschiedener Schriftgröße. Während Probanden die Wörter lasen wurde der Hautleitwert gemessen.
Es zeichnete sich ab, dass groß geschriebene Wörter emotional intensiver wirkten. Das heißt, dass ein positives Wort wie „Sonne“ noch positiver wahrgenommen wurde je größer es geschrieben war. Ein Effekt, den sich die BILD-Zeitung schon seit langem zu Nutze macht.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Eine große Schriftart schafft nicht nur einen Aufmerksamkeitsvorteil, sie entfaltet auch eine größere emotionale Wirkung. Für die Conversion-Optimierung bedeutet dies, dass emotionalen Begriffe, wie „Lieblingshose“, „gratis“, „neu“ oder „schön“ positiver wahrgenommen werden, je größer sie geschrieben sind. Dasselbe gilt jedoch auch für negative Wörter wie „Preis“ oder „Kosten“.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Unser Gehirn verfügt über ein separates visuelles Areal, die so genannte Fusiform Face Area (FFA), die ausschließlich darauf spezialisiert ist menschliche Gesichter zu verarbeiten, zu speichern und wiederzuerkennen. Neuere Studien zeigen, dass der Anblick emotionaler Gesichter zu stärkerer Aktivierung des FFA führen und sogar ein weiteres Netz an Arealen aktivieren, als der Anblick neutraler Gesichter. Die FFA ist stark an emotionale Zentren des Gehirns gekoppelt. Dies erlaubt es uns in wenigen Millisekunden die Mimik und emotionale Gesichtsausdrücke zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden.
(Quelle: http://www.techquark.com/2010/07/insight-to-facial-recognition.html)
Diese beiden Bilder zeigen, wie effektiv Fusiform Face Area arbeitet. Wie schnell erkennen Sie die Unterschiede zwischen dem linken und dem rechten Bild? Falls es Ihnen schwer fällt, liegt es daran, dass umgedrehte Gesichter vom Gehirn als normale Objekte verarbeitet werden. Aufrechte Gesichter genießen dagegen den Verarbeitungsvorteil des FFA.
(Quelle: http://dasgehirn.info/wahrnehmen/sehen/die-gesichtserkennung-wer-ist-das-1/)
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Nutzen Sie die Tatsache, dass das Gehirn Emotionsausdrücke andere Gesichter unmittelbar nachempfindet, um positive Gefühle in Ihren Besuchern auszulösen. Bilder von menschlichen Gesichtern eignen sich demzufolge hervorragend, um in Ihren Besuchern positive emotionale Zustände zu induzieren, welche zur positiven Emotionalisierung Ihrer Website beitragen.
Die effektive Verarbeitung von Gesichtern führt jedoch auch zu Gefahren. Sie sollten sicherstellen, dass die verwendeten Gesichter tatsächlich den gewünschten positiven Effekt erzielen. Bilder von Menschen, die unsympathisch wirken oder von solchen Menschen, die nicht in den Kontext Ihres Angebots passen, können starke negative Gefühle auslösen. Die gefühlte Abneigung gegenüber dem Modell, das Sie verwenden, transferiert auf Ihre Webseite und drängt den Besucher zum Rückzug.
Vor dem Launch der emolyzr-Website wurde ein Fotoshooting mit zwei Modells vorgenommen. Um bereits vorab sicher zu gehen, dass das Modell sympathisch wirkt, wurde die emotionale Wirkung beider Modelle mit der eingangs vorgestellten fEMG-Methode an 20 Freiwilligen getestet. Wieder wurden positive emotionale Reaktionen gemessen und diese mithilfe von Eye-Tracking räumlich lokalisiert.
Folgende Daten wurden gemessen:
Laura erzeugt bei den Betrachtern während der ersten Sekunden einen wesentlich stärkeren positiven ersten Eindruck (pink) als Natalie. Ab der dritten 3. Sekunde wurde Natalie außerdem durchweg negativ wahrgenommen.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Schon wenige Minuten nach der Geburt halten Neugeborene aktiv Ausschau nach Gesichtern in ihrer Umgebung. Forscher konnten zeigen, dass die Verarbeitung von Gesichtern – im Vergleich zu der Verarbeitung von Gegenständen – in Babygehirnen ähnlich abläuft wie bei Erwachsenen (Farzin et al., 2012). Diese Präferenz verstärkt sich weiter bis zum 3. Lebensjahr und bleibt dann ein Leben lang erhalten.
In der experimentellen Psychologie untersucht man diesen Effekt mithilfe des so genannten Paradigmas der „visuellen Suche“. Auf einem Bildschirm wird eine Reihe von Dingen präsentiert, wie z.B. Schmetterlinge, Hammer, Obst und auch Gesichter. Die Probanden benötigen wesentlich länger bis sie einen Schmetterling identifiziert haben, wenn auch Gesichter auf dem Bildschirm zu sehen sind (Langton et al., 2008). Mittels Eye-Tracking kann erkannt werden, dass Gesichter Aufmerksamkeit auf sich ziehen sogar wenn sie für die Erfüllung der Aufgabe keine Rolle spielen.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Wann immer Gesichter auf einer Webseite präsent sind, werden diese auch die Blicke der Besucher anziehen. Innerhalb der ersten Sekunden bleibt garantiert kein Gesicht unentdeckt. Auch im Verlauf des Aufenthalts werden die Blicke immer wieder mal auf die Gesichter zurückfallen. Dasselbe gilt auch für Gesichter von Tieren oder Maskottchen mit schemenhaften Gesichtern. Unser mentales System, insbesondere die FFA, ist darauf programmiert, in allen möglichen Dingen Gesichter zu erkennen. Ein erheiterndes Beispiel hierfür ist dingemitgesicht.de.
Platzieren Sie also wichtige Informationen und Text in der Nähe von Gesichtern. Dies birgt jedoch auch die Gefahr, dass wesentliche Informationen unbeachtet bleiben, weil Gesichter alle Aufmerksamkeit auf sich vereinen. Es ist daher eine gewisse Gratwanderung erforderlich, inwiefern eine Webseite auf Gesichter setzen sollte.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Nun haben wir gelernt, dass Gesichter die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich ziehen. Ein Grund dafür ist, dass vor allem die Augen-Nase-Mund Region sehr expressiv ist und viele Informationen für den Betrachter über den emotionalen Zustand, aber auch Intentionen und Wünsche offenbart. Schätzungsweise 55% der nonverbalen Informationen werden in der direkten Kommunikation über den Augenkontakt transportiert. Der Blick des Gesprächspartners kann auch unseren Blick lenken – einen Effekt, den man Gaze Cueing nennt (engl., in etwa „Blicklenkung“).
In einer Studie von Friesen & Kingstone (1998) sahen Probanden ein Gesicht auf einem Bildschirm. Das Gesicht blickte kurz entweder nach links oder rechts, woraufhin dann ein Buchstabe links oder rechts vom Gesicht erschien. In den Durchgängen, wo die Blickrichtung konsistent mit der Position des Buchstaben war, konnten die Probanden schneller den Buchstaben benennen als in inkonsistenten Durchgängen. Daraus schlossen die Forscher, dass die Blickrichtung des Gesichts die Aufmerksamkeit der Personen lenkte.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Besucher von Webseite schauen dorthin, wo auch andere Menschen hinschauen. Sie können gar nicht anders. Bei MoneYou, einem Anbieter für Tagesgeldkonten wird beispielsweise diese Grafik eingesetzt. Der Blick des Models ist hier nicht geradeaus auf den Besucher, sondern auf das zu bedienende Tool gerichtet.
Auf dieser Landingpage von dogspot.de gibt es einen klaren Blickverlauf von links oben nach rechts unten zum Formular. Die positiven Emotionen, die durch die beiden Hunde induziert werden, transferieren erst zu den USPs und dann zum Formular. Überschrift und Bilder transportieren klar die Message: „Hier gibt es leckeres Gratis-Hundefutter.“ Die meisten Betrachter nehmen die umfassenden Informationen am linken Bildrand nicht wahr, sondern springen direkt über die Vorteile zum Formular. Die Ergebnisse basieren auf einer Emotionsanalyse mit 20 Probanden. (Quelle: emolyzr.)
Auf friendscout24.de wird das Paar unmittelbar positiv wahrgenommen. Der Blick des Paars ist auf das Formular gerichtet, was dadurch vergleichsweise viel Aufmerksamkeit erhält. Allerdings funktioniert der Emotions-Transfer nicht. Das Formular wird nicht positiv wahrgenommen. (Quelle: Die Ergebnisse basieren auf einer Emotionsanalyse mit 20 Probanden der Agentur emolyzr.)
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Positive Endzustände sind solche Zustände, die eine positive Konsequenz aus einer zukünftig zu tätigen Handlung repräsentieren. Beispielsweise kann einer Lebensversicherung damit werben, dass sich Versicherte des Wohles ihrer Familie sicher sein können. Negative Endzustände hingegen sind solche Zustände, die eine unangenehme Konsequenz symbolisieren. Die Lebensversicherung könnte also auch darauf hinweisen, wie schlecht versorgt die Familie des Nicht-Versicherten sein wird.
Nach motivationspsychologischen Ansätzen (z.B. Feldtheorie von Lewin, 1935) nähern sich Menschen positiven Endzuständen an und vermeiden negative Endzustände. Atkinson (1964) erweiterte den Ansatz von Lewin. Menschen unterscheiden sich demnach darin, inwiefern sie motiviert sind, negative Zustände zu vermeiden bzw. positive Zustände zu erreichen. In ersterem Fall spricht man von Misserfolgs- im zweiten Fall von Erfolgsmotivation.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Da sich Persönlichkeitsvariablen online nicht beeinflussen lassen, liegt der Ansatz nahe, die Art der Motivation über Umgebungsfaktoren zu beeinflussen. Zeigen Sie auf Ihrer Webseite positive Endzustände, dann aktivieren Sie das Erfolgsmotiv Ihrer Besucher. Für einen Schneider könnte der positive Zustand einer „geflickte Hose“ anstelle einer gerissenen Hose sein. Das Resultat: Positive emotionale Reaktionen, die sich in Zuversicht widerspiegeln, dass diese Seite das Problem des Besuchers löst.
Oftmals wird jedoch auch die gegensätzliche Annahme vertreten. Möchte man ein Produkt verkaufen, muss man den Schmerz des Kunden ansprechen, um ihn zu motivieren, das Problem zu lösen. Durch das Aufzeigen negativer Endzustände, aktivieren Sie das Misserfolgsmotiv, was negative Emotionen auslöst. Um das negative Gefühl aufzulösen, kauft der Besucher im besten Fall Ihr Produkt, im schlechtesten Fall verlässt er jedoch sofort ihre Webseite. Misserfolgsmotivation führt zu Vermeidungsverhalten; das Verlassen der Webseite ist dabei eine schnell verfügbare und effektive Lösung. Gerade auf Landing Pages auf denen der erste Eindruck besonders zählt und hohe Bouncerates zu verzeichnen sind kann diese Technik negative Auswirkungen haben.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Der Fokus-Effekt beschreibt die Tatsache, dass die Gedächtnisspanne von Menschen Restriktionen unterliegt. Menschen können nur eine bestimmte Menge an Informationen im Arbeitsgedächtnis gleichzeitig behalten und verarbeiten. Der Informationsbegriff bezeichnet aber eine „semantisch differenzierbare Einheit“; dies kann ein Wort oder auch ein längerer Sinnzusammenhang (beispielsweise eine Metapher) sein. Während klassische Untersuchungen davon ausgehen, dass Menschen 7 +-2 Informationen gleichzeitig verarbeiten können (Miller, 1956), gehen neuere Untersuchungen eher von 2-3 bis maximal 4 Informationen aus (Cowan, 2010).
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Die Aufmerksamkeitsspanne eines Besuchers ist stark begrenzt. Zu viele Informationen führen schnell zu einer kognitiven Überlastung. Diese Überlastung wiederum erzeugt negative Gefühle, wie Stress, Frust oder Unlust, die sich negativ auf Ihr Angebot auswirken. Statt Ihr Produkt durch ein mehr an Informationen aufzuwerten, werten Sie es stattdessen in der Wahrnehmung des Besuchers ab.
In diesem Beispiel mit 20 Teilnehmern wurde die prominente Überschrift noch positiv wahrgenommen (in pink dargestellt). Hingegen erzeugt die sehr ausführliche Liste an Stichpunkten negative Emotionen (blau). Möglicherweise ist die Liste zu lang und nicht alle Inhalte können erfasst werden. Der Betrachter fühlt sich überladen. Das Resultat: Das Formular und der Call-To-Action werden erst gar nicht betrachtet.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Die Affective-Fluency-Theorie (engl., fluency, Flüssigkeit) beschreibt die Tatsache, dass die Leichtigkeit mit der ein visueller Stimulus verarbeitet werden kann, bestimmt wie ästhetisch derselbe Stimulus bewertet wird. Die Theorie des Zusammenhangs zwischen Verarbeitungsflüssigkeit und ästhetischem Urteil wurde von Rolf Reber, Norbert Schwarz und Piotr Winkielman im Jahr 1998 an der University of Michigan aufgestellt und wurde seitdem durch zahlreiche wissenschaftliche Studien untermauert (beispielsweise Reber und Kollegen, 1998).
In einem ihrer Experimente sollten Probanden Kreise hinsichtlich ihrer Ästhetik beurteilen. Der Kontrast der Kreise zum Hintergrund wurde dabei kontinuierlich manipuliert. Je höher der Kontrast war, und damit je leichter der Kreis wahrzunehmen war, umso ästhetischer wurde der Kreis bewertet.
In einem anderen Experiment sollten Polyeder hinsichtlich ihrer Ästhetik bewertet werden. Wurde kurz vorher für wenige Millisekunden der Umriss präsentiert, was die visuelle Verarbeitung erleichtert, wurde der Polyeder als ästhetischer beurteilt als wenn man den Umriss eines anderen Polyeders präsentierte. Solche und ähnliche Studien zeigen: Je flüssiger man einen Stimulus verarbeiten kann, desto stärker wird er gemocht.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Je einfacher Informationen auf einer Website zu verarbeiten sind, je schneller sie zu verstehen sind, umso positiver bewerten Besucher Ihre Webseite. Da positive Gefühle, hervorgerufen durch eine flüssige Verarbeitung, einen analytischen Denkstil unterbinden, vertrauen die Besucher mehr auf ihr Bauchgefühl.
An der Ohio State University konnte gezeigt werden, dass die Klarheit einer Webseite mit positiveren emotionalen Reaktionen zusammenhängt. Das zeigte die fEMG-Methode (Winkielman & Cacioppo, 2001). Darüber hinaus bewerteten die Probanden die Webseite und auch die dort angebotenen Produkte als ästhetischer. Neben dem positiven Gefühl der Besucher stieg auch die Kaufintention deutlich an. Das messbare angenehme Gefühl, welches die Webseite durch ihre Klarheit hervorrief, führte also zu einem gesteigerten Interesse auf der Webseite kaufen zu wollen.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Vertrauen kann verstanden werden als die Bereitschaft, Risiko in Kauf zu nehmen aufgrund positiver Erwartungen über das Verhalten des Anderen. Vertrauen im interpersonellen Bereich wird über wiederholte positive Erfahrungen mit dem Anderen aufgebaut. Vertrauen ist ein positives Gefühl, welches durch die Antizipation positiver Konsequenzen aufgrund der Kooperation mit einem anderen Individuum oder einer Organisation entsteht. Gelingt es also einer Organisation, das Gefühl des Konsumenten im Vorfeld zu positivieren, so kann dadurch auch das Vertrauen erhöht werden.
Die Psychologen Dunn & Schweitzer (2005) demonstrierten, wie die Manipulation von Emotionen das Vertrauen in einen Kollegen beeinflusst. Sie ließen ihre Probanden entweder ein positives oder ein negatives Ereignis aus ihrer Vergangenheit aufschreiben. Anschließend sollten die Probanden das Vertrauen gegenüber ihrer Kollegen bewerten. Solche Probanden, bei denen positive Gefühle erzeugt wurden, beurteilten ihre Kollegen als vertrauenswürdiger als solche bei denen negative Gefühle induziert wurden. Dieser Effekt ist umso stärker, je weniger der Proband mit dem Kollegen zusammenarbeitete.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Da es Online nur selten persönlichen Kontakt gibt, bedient man sich häufig abstrakter Symbole, die Vertrauen – also ein positives Gefühl bezüglich des Handelns eines Geschäftspartners – aufbauen sollen.
Das Einfügen von Gütesiegeln soll die Vertrauenswürdigkeit einer Webseite erhöhen. Ein Testsiegel wirkt dabei wie oben beschrieben als positiver emotionaler Verstärker, der positive Erwartungen, wie Datensicherheit oder eine schnelle Lieferung, wecken soll.
Der prominente Einsatz von Gütesiegeln kann jedoch auch Vertrauen zerstören. Möglicherweise werden Besucher durch das Gütesiegel erstmalig für ein Problem wie den Datenschutz sensibilisiert. Das Betonen von Sicherheit durch Testsiegel kann also auch in Angst und Misstrauen umschlagen. Außerdem können Qualitätssiegel Besucher dazu führen, Konkurrenten zu vergleichen, um zu sehen, welche Siegel denn diese vorzuweisen haben.
Die gesamte Landingpage von Lieferheld löst insgesamt wenig positive Gefühle aus (pink). Besonders sticht das TÜV-Siegel hervor und die Aussage „LIEFERHELD IST TÜV-ZERTIFIZIERT“, welches eine starke negative emotionale Reaktion auslöst (dunkelblau). Ein möglicher Grund könnte sein, dass der TÜV für Konsumenten eher mit der Hauptuntersuchung von KFZ-Fahrzeugen als mit Essen in Verbindung gebracht wird.
Bei Computeruniverse ist der erste Eindruck nach 2,5 Sekunden insgesamt sehr positiv (pink). Das Testsiegel wurde noch nicht entdeckt
Ab der 5. Sekunde gibt es jedoch einen ausgeprägten negativen Tiefpunkt. Dieser ist größtenteils auf das Testsiegel zurückzuführen, das jetzt entdeckt wird und negative Gefühle auslöst.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Der Recency-Effekt ist das Pendant zum schon erwähnten Primacy-Effekt und ist aus derselben Grundlagenforschung heraus entstanden. Während beim Primacy-Effekt der erste Eindruck gewichtig zur Entscheidung beiträgt, sind es beim Recency-Effekt Informationen und Gefühle entscheidend, welche kurz vor Ausführung der Handlung auftreten.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Auch dieses Gefühl sollte unbedingt positiv sein. Das erreichen Sie durch einen Emotions-Transfer. Das Element, das beispielsweise vor dem Buttonklick im Kopf des Besuchers präsent ist, sollte unbedingt positiv sein, sodass die positive Emotionalität auf den Button transferiert.
Hypothesen und Best Practices
Allgemeine Beschreibung
Je mehr körperliche oder auch geistige Arbeit ein Mensch in eine bestimmte Sache investiert, desto mehr wird er beginnen diese Sache auch zu mögen. Dieser Effekt wurde auf den Namen IKEA-Effekt getauft. Er beruht auf Untersuchungen von Michael Norton und Kollegen (2012), der zeigen konnte, dass Menschen Regale, die sie selbst zusammen gebaut haben, danach mehr mochten als wenn sie fertige Regale im Laden kauften. Die Bauherren der Regale haben durch ihre Arbeit eine positive Beziehung zu ihrem Regal aufgebaut. In der Psychologie spricht man von „Commitment“.
Oft zitiert wird auch die Untersuchung zum artverwandten Foot-In-The-Door-Effekt von Freedman & Fraser (1966). Sie baten eine Gruppe von Hausfrauen eine Petition gegen Verkehrssünder zu unterschreiben. Wenige Wochen später baten sie dieselben Frauen, ein überdimensional großes Schild gegen Verkehrssünder in ihrem Garten aufzustellen. Gegenüber einer Vergleichsgruppe willigten dreimal mehr dazu ein. Das Erfüllen eines kleinen Gefallens (Unterschrift) führte am Ende zur Erfüllung einer größeren Bitte (Schild). Die Frauen hatten sich „committed“, dass sie contra Verkehrssünder eingestellt sind und handelten dementsprechend konsistent.
Anwendung auf die Conversion-Optimierung
Wenn Besucher eine Seite aufrufen, haben sie in den meisten Fällen das Gefühl sich vollkommen frei und unverbindlich zu informieren und einen ersten Eindruck zu bekommen. Sobald jedoch eine Aktion getätigt wird, zum Beispiel ein Button geklickt, einen Menüpunkt auswählt oder ein Video betrachtet wird, fühlen sich Besucher mehr „gebunden“. Das Gehirn suggeriert, dass Arbeit in die Webseite gesteckt wurde. Diese Arbeit soll nun zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Schaffen Sie es also, Ihre Besucher auf Ihrer Webseite „arbeiten zu lassen“, dann wird er Ihre Seite mehr mögen und sich mehr für Sie als Anbieter festlegen.
Hypothesen und Best Practices
Emotionale Optimierung kann also sowohl im Labor als auch mithilfe des Einsatzes emotionaler und psychologischer Effekte betrieben werden. Beide Ansätze haben jedoch auch Einschränkungen.
Emotionale Analysen im Labor erlauben es Varianten im Vorfeld zu testen, um so den Hypothesenraum für effektivere A/B-Tests einzuschränken. Dies ist vor allem für Websites mit nur wenigen Conversions sinnvoll, wo A/B-Tests mit vielen Testvarianten zu keinem statistisch signifikantem Ergebnisse führen würden. Die risikofreie Umgebung des Labors erlaubt es auch ausgefallenere Designs und Hypothesen vorab zu testen.
Die interne Validität der Erkenntnisse ist im Labor mit geeigneten Verfahren als hoch einzuschätzen. Die externe Validität ist jedoch vergleichsweise gering, da nicht die eigentlichen Kunden, sondern eine Stichprobe Ihrer Zielgruppe gemessen werden und dies in einer für die Versuchspersonen ungewohnten Umgebung.
Mithilfe der beschriebenen Laborverfahren lassen sich außerdem nur schon entwickelte Websites oder Konzepte näher betrachtet werden. Neue Hypothese wird man mithilfe von Laborverfahren nicht finden.
Die oben beschriebenen Effekte wurden unter Laborbedingungen entdeckt und repliziert. In fast allen Fällen beziehen sie sich nicht auf das Verhalten von Website-Besuchern – eine Generalisierung auf das Online-Marketing ist also zumindest mit Vorsicht zu genießen.
In der wirklichen Welt gibt es einfach zu viele Faktoren, welche Einfluss auf die Wirksamkeit der psychologischen Effekte haben können:
Letztendlich eignen sich die beschriebenen Effekte aber in jedem Fall sehr gut, um Hypothesen aufzustellen. Diese können dann in A/B- oder multivarianten Test überprüft werden.
Hier finden Sie noch einmal alle Tipps dieses Praxisguides auf einen Blick in Form einer Checkliste. Drucken Sie sich diese aus und verwenden Sie die Liste im Gestaltungsprozess Ihrer Website. So können Sie einfach abhaken, ob Sie den jeweiligen Tipp bei der Optimierung durchdacht haben.
Allgemein
Primacy-Effekt – Der erste Eindruck zählt
Message-Match-Effekt – kommunizieren Sie Ihre Message gezielt und emotional.
BILD-Effekt – große Schrift wirkt
Das Gehirn erkennt Gesichter und deren Emotionen sehr effektiv
Gesichter ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich
Gaze Cueing – Gesichter lenken Blicke auf Ihr Angebot!
Lösungen anbieten oder Probleme aufzeigen?
Fokus-Effekt
Affective Fluency
Vertrauen erzeugen
Recency-Effekt
IKEA-Effekt
[1] Der Korrelationswert ist ein dimensionsloses Maß für den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen. Er kann Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Bei einem Wert von +1 (bzw. -1) besteht ein vollständig positiver (bzw. negativer) linearer Zusammenhang zwischen den betrachteten Merkmalen. Wenn der Korrelationskoeffizient dagegen den Wert 0 aufweist, gibt es keine Abhängigkeit zwischen den beiden Merkmalen.
[2] Die Untersuchung wurde von emolyzr, einer Agentur für emotionale Optimierung von Webseiten, durchgeführt. Aufgrund der wenigen Webseiten, die zur Verfügung standen, ist eine endgültige Aussage über die beobachteten Zusammenhänge auf Basis der Ergebnisse nicht zu treffen. Da zu dem Thema momentan keine aussagekräftigeren Studien zur Verfügung stehen, bietet sie jedoch eine gute Möglichkeit, einen Eindruck über die mögliche Wirksamkeit der eingesetzten Methoden zu bekommen.
[3] vgl. Frederikson, B.: Positivity, New York 2009.
Bibliographie
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