Big Data und Kundensegmente

Big Data - der Blick auf ältere Männer aus Süddeutschland

Für Onlineshops ist Big Data der Weg fort von Angeboten für künstlich konstruierte Durchschnittskunden zu personalisierten Angeboten für kleine Kundensegmente und letztlich für Einzelkunden. Durch moderne Datenanalyse lässt sich Segmentierung heute optimieren. Big-Data-Analyse nimmt Segmente für mehr Umsatz ins Blickfeld, deren Analyse sich früher nicht gelohnt hätte. Spätestens hier kommen dann auch ältere süddeutsche Männer ins Spiel.

Männer der Generation 50+ aus Süddeutschland sind anders als andere Kunden: als andere Männer, andere süddeutsche Männer, ältere süddeutsche Frauen … Wirklich? Unterscheidet sich ihr Einkaufsverhalten im E-Commerce in manchen Situationen signifikant vom Rest der Kundschaft? Was für eine unsinnige Frage, nicht wahr? Wieso soll man sich ausgerechnet mit älteren süddeutschen Männern beschäftigen? Und was hat sie mit Big Data zu tun? Antwort: Gar nicht so wenig!

Wie ticken ältere Männer aus Süddeutschland?

Man kann sicherlich viele Stunden damit zubringen, das Einkaufsverhalten süddeutscher Männer der Generation 50+ zu analysieren. Und dann weiß man vielleicht irgendwann, dass sich solche Männer tatsächlich im Winter häufiger als viele andere Kundengruppen lange Baumwollunterhosen kaufen, weil es tendenziell in Süddeutschland schneereichere Winter gibt und weil sie tendenziell eher frieren als jüngere Männer. Ist das so? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Nehmen wir an, es wäre so. Dann könnte man süddeutschen Männern der Generation 50+ im Winter häufiger einmal lange Baumwollunterhosen anbieten und hätte seinen Umsatz damit bestenfalls minimal gesteigert. Und so kann man unheimlich viel Zeit damit zubringen, kleine bis winzige Kundensegmente zu identifizieren, um sie zu gewissen Zeiten optimal anzusprechen. Das bringt dann immer winzige Umsatzsteigerungen, die in der Summe einen deutlicher steigenden Umsatz ergeben. Lohnt sich das?

Wo bleibt die Effizienz?

Spontan klingt das eher nicht wie eine effiziente Strategie. Aufwand und Ertrag scheinen in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zueinander zu stehen: Das bedeutet viel Arbeit für eher wenig Erfolg. Allerdings leben wir nicht mehr in den 80er oder 90er Jahren. Wir leben im Jahr 2017. Schlagworte wie „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“ prägen Diskussionen rund um den Onlinehandel. Und da muss man die Sache mit der Effizienz vielleicht neu überdenken.

Heute gibt es zahlreiche Möglichkeiten, in kürzester Zeit eine große Datenmenge zu erfassen und sie mit anderen großen Datenmengen in Beziehung zu setzen. Daraus entstehen Interpretationen und schließlich Vorhersagen (zum Kundenverhalten), die oft erstaunlich gut sind. Und das kann man durchaus auch dafür nutzen, abweichendes Kaufverhalten bei kleineren Kundensegmenten zu identifizieren, die man bisher gar nicht auf dem Schirm hatte. Spätestens hier kommen die Männer der Generation 50+ aus Süddeutschland dann wieder ins Spiel.

Weg vom Durchschnittskunden. Hin zum Kunden.

Natürlich bildet man mit den „älteren Männern aus Süddeutschland“ wiederum eine Gruppe und mit jeder Gruppenbildung ignoriert man individuelle Unterschiede der Gruppenmitglieder. Das ist nicht optimal. Letztlich ist Big-Data-Analyse ja der Versuch, nicht nur Gruppen, sondern jedem einzelnen Kunden möglichst viele Daten zuzuordnen, sie zu gewichten und daraus möglichst gute Vorhersagen zu einem individuellen Einkaufsverhalten zu treffen.

Welche Rolle spielt Segmentierung da noch, wenn es doch um einzelne Kunden geht? Ist Segmentierung überhaupt noch sinnvoll? Ja. Aber warum? Hilfreich bei der Suche nach einer Antwort ist das Szenario eines Autoverkäufers, der im Ladenlokal einer Kundin gegenübersteht.

Der Autoverkäufer und die Kundin

Ein guter Autoverkäufer mutmaßt im Gespräch mit einer Kundin vielleicht auf den ersten Blick anhand ihres Gesichts und ihrer Kleidung, dass es sich um eine Frau Mitte/Ende 30 handelt, die wahrscheinlich gut situiert ist. Er ordnet sie deshalb in die Gruppe „Vermögende Frauen mittleren Alters“ ein und denkt spontan daran, ihr einen schicken Sportwagen zu empfehlen.

Dann sagt sie ihm jedoch, dass sie ein Auto für ihre Familie sucht, und er fragt sie nett, wie ihre Familie denn aussieht. Sie erzählt ihm, dass ihr Mann und sie kürzlich nochmals Nachwuchs bekommen haben und bereits Eltern von zwei Kindern sind. Er ordnet sie deshalb jetzt in die Gruppe der gut situierten Mütter Mitte/Ende 30 ein. Und aus dem Verkauf des Sportwagens wird der eines Familien-Vans.

Im weiteren Gespräch erfährt der Verkäufer, dass seine potenzielle Kundin sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit bei Produkten legt. Er stuft sie nun in die Gruppe der gut situierten Mütter Mitte/Ende 30 mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt ein und aus der möglichen Empfehlung eines sehr luxuriösen Vans mit vergleichsweise hohem Treibstoffverbrauch wird die für einen luxuriösen und eher sparsamen Wagen.

Bei diesem fiktiven Gespräch lässt sich einiges festhalten. Der Autokäufer sammelt Daten durch aufmerksames Zuhören und Beobachten der potenziellen Kundin. Anhand der Daten speichert er die potenzielle Kundin in diversen Gruppen ab, denen er auf Basis seiner Erfahrung und der aktuellen Kommunikation Produkte zuordnet (Frau Mitte/Ende 30, gut situiert = Sportwagen).

Im Verlauf des Verkaufsgesprächs sammelt er weitere Daten und korrigiert die Gruppeneinstufung bzw. verfeinert sie, wodurch auch andere Produkte in den Vordergrund rücken. So nähert er sich bestenfalls einem hochgradig personalisierten Angebot und einem Verkaufsabschluss, weil er die Kundin im Gesprächsverlauf immer besser einordnet.

Was hat Big Data mit dem Autoverkäufer gemeinsam?

Kehren wir zurück zum E-Commerce und zu Big Data. Wo sind die Parallelen? Im E-Commerce mit Big Data geht es ebenfalls darum, möglichst viele Daten über den potenziellen Kunden zu gewinnen, ihn so in passende Segmente einzuordnen und ihm passende Angebote zuzuordnen.

Und je mehr relevante Segmente identifiziert werden, desto eher kann man sie dazu nutzen, ein sehr individuelles Angebot zu erstellen. E-Commerce hat dabei einen Nachteil gegenüber dem Autoverkäufer, aber auch einen Vorteil. Nachteilig ist, dass Kundensignale wie körpersprachliche Reaktionen nicht erfassbar sind.

Der große Vorteil: Big-Data-Analyse hat bestenfalls eine sehr große Datenmenge zur Verfügung, die das Wissen des Verkäufers über seine Kundin deutlich übersteigt. Und die Analyseinstrumente „urteilen“ alleine auf Datenbasis. Beim menschlichen Verkäufer besteht dagegen zumindest das Risiko, dass er sein Verkaufsgespräch auf einem vermeintlichen Wissen und auf Vorurteilen (Frauen mögen an Autos vor allem die Farbe) aufbaut.

Wichtig bei alledem: Die informationstechnische Infrastruktur für Big-Data-Verarbeitung muss in der Lage sein, effizient neue Segmente zu identifizieren und potenzielle Kunden blitzschnell anhand von Daten passenden Segmenten zuzuordnen. Ebenfalls wichtig ist die regelmäßige Überprüfung der Relevanz einer Segmentierung.

Anders ausgedrückt: Möglicherweise haben Männer der Generation 50+ aus Süddeutschland nur früher in der Situation X (z.B. relativ kalter Winter) eine anderes Einkaufsverhalten gezeigt als der Durchschnitt der Kunden, während ihr Einkaufsverhalten mittlerweile kein eigenes Segment mehr rechtfertigt. Dann ist dieses Segment obsolet, während vielleicht neue Segmente relevant werden.

Vielleicht ist auch die Zuordnung von Produktvorschlägen zum jeweiligen Segment noch nicht oder nicht mehr optimal. Dann bietet man älteren Männern aus Süddeutschland im Januar unter Umständen lange Unterhosen an und würde mit schicken Winterstiefeln eventuell die weitaus besseren Geschäfte machen. Segmentierung ist Daueraufgabe. Sie endet nie.

Fazit: Bildet Segmente!

Letztlich ist das Prinzip bei der Segmentierung immer ähnlich. Man hat eine übergeordnete Gruppe (z.B. Gesamtheit der Shopbesucher) und bildet Untergruppen, die sich in bestimmten Situationen signifikant anders verhalten als der Gruppendurchschnitt (z.B. Frauen oder Männer).

Diese Untergruppen (z.B. Frauen) können ihrerseits wiederum übergeordnete Gruppen bei einer weiteren Segmentierung sein, wenn sich beispielsweise das Verhalten jüngerer und älterer Frauen in bestimmten Einkaufssituationen unterscheidet. So kann es weitergehen, sodass man potenzielle Kunden anhand der verfügbaren Daten immer besser einordnen kann und sich über weitere individuelle Daten und eine immer enger definierte Gruppenzugehörigkeit den Bedürfnissen des Individuums annähert.

Das Fazit aus alledem lautet: Bildet Segmente. Die technischen Möglichkeiten moderner Big-Data-Analyse erschließen für feine und feinste Segmentierung neue Dimensionen. Hier findet man mit Sicherheit auch für ältere Männer aus Süddeutschland einen würdigen Platz. Und das ist doch eigentlich ein ganz schöner Abschluss, oder?

Die Autoren

Julian Kleinknecht - Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht
Geschäftsführer & Gründer

Julian Kleinknecht hat viele Jahre Erfahrung in den Bereichen Web-Analyse und A/B-Testing und teilt sein Wissen oft bei LinkedIn.

Ansgar Sadeghi

Angar Sadeghi arbeitet bereits seit vielen Jahre als selbstständiger Online-Journalist und Texter. Ein Schwerpunkt seiner journalistischen Arbeit sind die Bereiche Online-Marketing und E-Commerce

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