Conversion-Optimierung durch Preisgestaltung
Einen Preis für ein Produkt über den gesamten Produktlebenszyklus auf einem Level zu halten, ist nicht unmöglich. Aber es ist selten richtig. Etwas mehr kluge Flexibilität bei der Preisgestaltung kann die Chancen auf höhere Umsätze deutlich steigern. Die höchste Form preislicher Flexibilität bietet durch Software gesteuertes Dynamic Pricing, bei dem sich der Preis bisweilen mehrfach am Tag ändert. Aber es gibt auch nicht automatisierte Strategien mit längeren Phasen gleichbleibender Preise: Preisreaktionen auf Stoßzeiten, Hochpreisstarts, günstige Einführungspreise und Produktsegmente mit unterschiedlichen Preisen. Die Möglichkeiten, geschickt mit Preisen zu arbeiten, sind groß. Man sollte einige davon nutzen.
Wäre das aus Sicht eines Onlinehändlers nicht traumhaft? Man könnte in den Köpfen potenzieller Kunden lesen, wie viel diese Menschen gerade bereit wären, für ein Angebot zu bezahlen? Keine Frage: Das wäre toll (aus Händlersicht!). Da käme beispielsweise Kunde 1 zu einem und würde für das von ihm favorisierte Produkt maximal 10€ zahlen. Die Gewinnspanne wäre aus Händlersicht groß genug und man bietet ihm das Produkt für 10€ an. Er kauft. Und dann kommt der nächste Kunde und würde maximal 15€ zahlen und dem bietet man das Produkt für 15,00€ an und… er kauft. Oder man bietet ihm das Produkt für 12,50€ an und er kauft und ist doppelt glücklich, weil er nicht an seine preisliche Schmerzgrenze gehen musste. Soweit, so schön, aber…
Achtung, jetzt kommt die schlechte Nachricht: Man kann nicht so in die Köpfe potenzieller Kunden schauen, wie wir es gerade beschrieben haben. Die gute Nachricht: Es gibt Szenarien und Situationen, in denen eine bestimmte Preisanpassung mit höherer Wahrscheinlichkeit als zu anderen Zeiten eine positive Wirkung auf Käufe und Umsätze besitzt. Und es gibt verschiedene Strategien, um solche Preisanpassungen umzusetzen. Die dynamischste Variante ist „Dynamic Pricing“, bei dem die Produktpreise mit passender Software bisweilen mehrfach am Tag verändert werden. Aber die ganz schnelle Variante muss gar nicht unbedingt sein. Es geht auch langsamer. Und dennoch dynamisch. Schauen wir uns aber erst einmal noch ein bisschen die Turboversion der Preisgestaltung an.
OK, schlechter Reim. Aber richtiger Inhalt. Dynamic Pricing ist wirklich ein alter Hut, zumindest wenn man die schnelle Entwicklung im Internetzeitalter zugrunde legt. Es existiert nämlich bereits seit Anfang der 80er Jahre. Damals nutzen amerikanische Fluggesellschaften diese Technik. Die Gesellschaften verändern die Preise für Flugplätze beispielsweise abhängig von der Anzahl noch freier Sitzplätze. Das Prinzip ist klar: Die Zahl der nicht besetzten Sitzplätze pro Flug soll möglichst gering ausfallen. Das kann dann beispielsweise zur Strategie führen, dass der Preis für Sitzplätze auf einem Flug sinkt, je näher der Flug rückt.
Der größte Onlinehändler, der auf Dynamic Pricing setzt, ist wohl Amazon. Im Durchschnitt soll dieser Riese seine Preise alle zehn Minuten ändern, heißt es. Man weiß natürlich nicht ganz genau, welchen Einfluss Dynamic Pricing auf den Unternehmenserfolg von Amazon besitzt. Fakt ist: Amazon ist erfolgreich. Das Unternehmen steigerte seine Verkäufe zwischen 2012 und 2013 um 27,2% und erreichte einen Umsatz von 44 Milliarden US-Dollar.
Preise im richtigen Moment um den richtigen Betrag zu heben oder zu senken, ist eine Kunst. Diese Kunst zu beherrschen, kann Erfolge eines Onlineshops deutlich steigern. Das ist leicht gesagt. Schwierig wird es, wenn man ins Detail geht. WANN ist der richtige Moment? Um WIE VIEL Euro sollte der Preis dann hochgesetzt werden? WANN sollte man ihn wieder senken? Es gibt einige grundsätzliche Strategien der Preisanpassung, die man bei der Suche nach Antworten im Auge haben sollte.
Der Duden definiert „Stoßzeit“ als „Zeit des Stoßverkehrs; Hauptverkehrszeit, Rushhour“. Überträgt man diesen Begriff aus dem Verkehrswesen aufs E-Commerce, kann man sagen, dass Stoßzeiten vorhersehbare Zeiten mit einer deutlich gesteigerten Anzahl an Käufern sind. Stoßzeiten können sich dabei auf das gesamte Sortiment eines Onlineshops beziehen oder aber auf ein Teilsegment. Das vielleicht bekannteste Beispiel für eine Stoßzeit ist die Vorweihnachtszeit, in der sehr viele Shops mit sehr unterschiedlichen Produkten deutlich gesteigerte Käuferzahlen verzeichnen. Es gibt aber auch regionale und auf eher wenige Produktsegmente begrenzte Stoßzeiten. Zu ihnen gehört beispielsweise die Karnevals- und Vorstraßenkarnevalszeit als Stoßzeit für Kostüme in Hochburgen wie Köln, Düsseldorf und Mainz. Und natürlich gibt es viele weitere Beispiele: Der heiße Sommer ist eine Stoßzeit für Bademoden. WM-Spiele mit deutscher Beteiligung sind vielleicht Stoßzeiten für Bier und Chips und der Schulanfang kurbelt das Geschäft mit Schulbüchern an.
Kommt ein neues Produkt aus einer etablierten Produktreihe auf den Markt, wird es bisweilen von einer mehr oder weniger großen „Fangruppe“ bereits freudig erwartet. Das beste Beispiel ist sicherlich das iPhone. Vielen derjenigen, die das neue iPhone als erstes haben wollen, ist der Preis (fast) egal. Apple kann also hoch einsteigen. Später sinkt der Preis, spätestens, wenn das begehrte iPhone dem noch begehrteren neuen iPhone weicht. Der preis entwickelt sich hier also parallel zur Begierde potenzieller Kunden: von hoch zu tief. Auch Microsoft bediente sich dieser Strategie bereits mehrfach. Das gilt etwa bei der Xbox 360, die in den USA zunächst für 399 US-Dollar angeboten wurde. Später kam die Xbox One auf den Markt, was das Interesse an der Xbox 360 reduziert hat. Der Preis für die Xbox 360 wurde auf 299 US-Dollar reduziert.
Die Preisstrategie bei Markteinführung eines neuen Produkts kann natürlich auch ganz anders aussehen. Stammt ein Produkt NICHT aus einer bereits etablierten Produktreihe und/oder von einer bekannten Marke, kann ein niedriger Einführungspreis eine gute Wahl sein. Das senkt die Schwelle für die Unentschlossenen und kann einen Anschub des Produktverkaufs in einer ersten schwierigen Phase bringen. Letztlich gilt hier aber dasselbe wie beim Blick auf mögliche Rabatte: Den Preis für das jeweilige Produkt sollte man nicht so tief ansetzen (Ramschpreis), dass es für das Produkt deutlich schwieriger wird, sich als etwas „Wertvolles“ in den Köpfen potenzieller Kunden zu etablieren. Ist der erfolgreiche Markteinstieg mit dem Einstiegspreis abgeschlossen, kann der Preis angehoben werden.
Tja, und was jetzt? Wir haben zwei konträr zueinanderstehende Strategien für die Markteinführung eines neuen Produkts: eine mit hohem Preis und eine mit niedrigem Einführungspreis. Was richtig ist, kann nur der einzelne Onlinehändler auf Basis seiner Situation, seiner Kundschaft und des Produkts, um das es geht, entscheiden. Wenn dann beispielsweise klar ist, dass man mit einem hohen Preis einsteigt, bleiben weitere Fragen: Wie hoch ist denn der optimal hohe Preis? Wann ist der richtige Zeitpunkt, den Preis zu reduzieren? Um wie viel Euro sollte man ihn dann reduzieren? Testen und analysieren ist der richtige Weg, um Antworten zu finden.
Bisher haben wir Strategien betrachtet, bei denen der Preis für ein Produkt entweder mehrmals täglich oder aber einige Male im Verlauf des Produktlebenszyklus verändert wurde. Mit der segmentierten Preisgestaltung kommt eine veränderte Variante ins Spiel. Man entscheidet sich dafür, diverse Produktvarianten mit unterschiedlichen Leistungen zu verschiedenen Preisen auf den Markt zu bringen. Software-Hersteller machen das bisweilen gerne. Und dann gibt es beispielsweise die preisgünstige Standardsoftware sowie die Premium- und die Ultimate-Variante des Programms.
Fassen wir zusammen: Allzu starre Preise sind oft keine guten Preise. Denken Sie deshalb öfters einmal an Veränderung. Abhängig kann die Auswahl des passenden Preises dann unter anderem von der Konkurrenzsituation Ihres Onlineshops sein, von der Phase im Produktlebenszyklus, in der sich das Produkt aktuell befindet, und von den anvisierten Zielgruppen. Sowohl bei Strategien mit einem intensiven Softwareeinsatz wie Dynamic Pricing mit Preisveränderungen mehrmals am Tag als auch bei Strategien, die kaum technische Begleitung notwendig machen, sind Analysen und Tests wichtig, mit denen man herausfindet, welche Strategie mit welchen Preissprüngen das Optimum bringt.
Bei alledem bleibt dennoch klar: Nein, Sie können immer noch nicht in die Köpfe von Kunden schauen. Und Sie werden nie haargenau wissen, welcher Preis zum Zeitpunkt X der beste für Ihr Produkt ist. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Sie sich mit absoluter Unwissenheit zufriedengeben müssen. Sie müssen nicht. Und Sie sollten auch nicht.
Julian Kleinknecht
Geschäftsführer & Gründer
Julian Kleinknecht hat viele Jahre Erfahrung in den Bereichen Web-Analyse und A/B-Testing und teilt sein Wissen oft bei LinkedIn.
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