KI & Conversion-Optmierung
Webdesign ist eine kreative Leistung. Deshalb denkt man schnell einmal, dass sich die Arbeit von Menschen hier nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzen lässt. Aber das stimmt nur zum Teil und wird vielleicht irgendwann gar nicht mehr stimmen? Conversionstarke Websites durch KI sind möglich. Werden Webdesigner überflüssig?
Was für die KI als Webdesigner sprechen könnte? Nun, einerseits ist eine kreative Leistung natürlich nichts, was zwangsläufig auf organische Lebewesen beschränkt ist, wie ein Beispiel hier im Artikel zeigen wird, und die kreativen Leistungen künstlicher Intelligenz werden voraussichtlich weiter zunehmen.Andererseits darf eine Website oft auch gar nicht zu kreativ sein, um kommerziell gut zu funktionieren und eine gute Conversion-Rate zu besitzen. KI kann deshalb für ein conversionstarkes Webdesign sehr hilfreich sein. Allerdings reicht es dafür nicht aus, wenn die Künstliche Intelligenz nur das lernt, was den künftigen Webmastern gefällt.
Webdesign muss schnell überzeugen. Laut einer Studie des Statistic Brain Research Institutes lag die Aufmerksamkeitsspanne durchschnittlicher Website-Besucher im Jahr 2000 bei 12 Sekunden und sank bis 2015 auf nur noch 8,25 Sekunden. Für eine geeignete Reaktion auf diese Entwicklung wurden unter anderem ausreichend Weißflächen empfohlen, weil so die einzelnen Seitenelemente schneller ins Blickfeld geraten und wirken können, ehe der Besucher sein Interesse verliert.
Die englischsprachige Website Brandwatch.com veröffentlichte 2014 einen Artikel mit interessanten Ergebnissen aus zwei weiteren Studien. Die Studie „Guidelines for Developing Trust in Health Websites“ Studie fand einerseits heraus, dass 94% des ersten Eindrucks von einer Website vom Design beeinflusst sind und dass die Testpersonen ihre ersten Eindrücke bereits nach dem Zwanzigstel einer Sekunde gewonnen hatten.
Die zweite, von Brandwatch.com zitierte Studie heißt „Web Credibility Research” und stammt von der Stanford University. Laut dieser Studie beurteilen 75% der Internetnutzer die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens (auch) anhand des Webdesigns seines Internetauftritts. Für conversionstarke Websites ist das wichtig: Glaubwürdigkeit steigert die Bereitschaft, Vertrauen zu investieren, und Vertrauen ist ein wesentlicher Faktor für Kaufentscheidungen.
Wie alle Studien zum Thema liefern auch die hier genannten eher Indizien für allgemeines Verhalten von Internetnutzern als harte Fakten. Das gilt bei der zweiten Studie nicht zuletzt, weil sie auf medizinischen Websites zum Thema Bluthochdruck mit einer relativ geringen Anzahl von Testpersonen durchgeführt wurde, die allesamt an Bluthochdruck litten.
Die Eigenschaft „Bluthochdruck“ wird das Testergebnis vielleicht eher nicht verfälschen, die relativ geringe Zahl von Testpersonen möglicherweise schon eher. Festhalten kann man dennoch, dass es starke Indizien für die Richtigkeit der folgenden Aussage gibt: Webdesign ist entscheidend für den ersten Eindruck eines Seitenbesuchers von einer Website. Dieser Eindruck beeinflusst seine Einstellung zur Seite und zum Seitenbetreiber, bevor Texte es können. Er beeinflusst damit auch die Chance, dass der Besucher zum Kunden wird.
Für gutes Webdesign muss man kreativ sein. Und Künstliche Intelligenz kann bei der Kreativität nicht mit dem Menschen mithalten. Deshalb kann sie den menschlichen Webdesigner bei der Entwicklung conversionstarker Websites nicht ersetzen. Punkt. Wirklich? Ist das so? Es gibt zwei Ansätze, um diese Ansicht zumindest infrage zu stellen.
Einerseits kann Künstliche Intelligenz durchaus eine Kreativiät entwickeln, die es mindestens mit einer durchschnittlichen kreativen Leistung von Menschen aufnehmen kann. Interessante Informationen dazu lieferte die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) mit dem Artikel „Die Kunst wird künstlich“ vom 28. April 2017. In ihm berichtet die Zeitung unter anderem über das Programm Painting Fool. Es kann ohne Bezug zu einem Referenzobjekt (wie z.B. ein vorgegebenes Foto) Bildschöpfungen produzieren und hat beispielsweise das durchaus ausdrucksstarke Bild „Sad“ erschaffen, das ein trauriges Männergesicht zeigt.
Andererseits kann man hinterfragen, wie viel Kreativität eigentlich nötig ist oder sein darf, um conversionstarke Seiten zu erzeugen? Dazu sollte man sich zunächst eine Definition anschauen und klären, was Kreativität eigentlich bedeutet. Eine Standarddefinition stammt von Mark A. Runco und Garrett J. Jaeger und wurde 2012 im Creativity Research Journal veröffentlicht. Laut ihr muss eine kreative Schöpfung neu oder originell und nützlich oder brauchbar sein.
Nützlich oder brauchbar wäre eine kreative Schöpfung im Sinne der Conversion-Optimierung dann, wenn sie zur einer Steigerung der Conversion-Rate beiträgt. Die Frage ist, wie neu oder originell das Webdesign dafür sein muss? Ein völlig neues originelles Webdesign würde dem Seitenbesucher keine vertrauten Elemente bieten, sodass er sich relativ lange Zeit erst einmal orientieren müsste.
Diese Zeit mag ein Kunstfreund investieren, um ein ihn interessierendes Kunstwerk zu interpretieren. Der normale E-Commerce-Kunde wird sich die Zeit beim Besuch eines Onlineshops eher nicht nehmen. Websites sollten ihn daher mit einer Reihe für ihn wichtiger Elemente (wie z.B. das Website-Menü) an für ihn gewohnten Stellen empfangen. Das bedeutet: Die Website muss gewöhnlich genug sein, um dem Besucher eine schnelle Orientierung zu bieten. Zu viel Kreativität im Sinne von Neuartigkeit und Originalität schadet kommerziellem Erfolg häufig eher als zu nutzen.
Eine künstliche Intelligenz kann sich in einem nicht unerheblichen Maße auf Altbewährtes stützen, um ein Webdesign für kommerzielle Websites zu entwickeln. Sie kann auf Daten mit Aussagen darüber zugreifen, welche wie platzierten Designelemente sich als kommerziell erfolgreich erwiesen haben, und so auf der Basis von Erfahrungen ein neues Webdesign mit altbekanntem Layout und bewährter Farbgebung entwickeln.
Der Zugriff auf zahlreiche Daten reicht alleine aber nicht aus, um von einer Webdesign entwickelnden KI zu sprechen. Eine Künstliche Intelligenz ist letztlich auch immer durch einen Rückkopplungsprozess gekennzeichnet, durch den die KI lernt und besser wird. So arbeitet das US-amerikanische Start-up The Grid beispielsweise mit einer Molly genannten KI. Sie lernt, was dem künftigen Webmaster gefällt und richtet ihr Design danach aus. Ähnlich arbeitet die KI „James“ von WebsiteButler.
Ein mögliches Problem bei der ganzen Sache: Die KI lernt, was die Webmaster mögen. Das ist sicherlich insofern wichtig, weil die Webmaster die Kunden der KI und ihrer Entwickler bzw. Anbieter sind. Aber Webmaster wissen oft selbst nicht, ob ihre Designfavoriten auch tatsächlich dem kommerziellen Erfolg ihrer Seite dienen. Für ein conversionstarkes Webdesign müsste die KI deshalb eigentlich nicht die Meinung des Webmasters aufgreifen, sondern Daten aus A/B Tests. Erst sie würden zeigen, welches Designvarianten wirklich funktionieren.
Theoretisch ist es durchaus möglich, KI wie Molly oder James mit solchen Daten zu versorgen und sie mithilfe dieser Daten einem Lernprozess zu unterziehen. Im ConversionBoosting-Artikel „Conversion-Optimierung: Die Macht künstlicher Intelligenz!“ gab es ein Beispiel einer fast völlig selbstständig ablaufenden Designoptimierung beim Damenwäsche-Shop Cosabella durch automatisiert ablaufende A/B Tests.
Zumindest theoretisch denkbar wäre dann eine Kopplung von James und Molly mit solchen automatischen Testing Tools. Die Webdesign KI würde das Seitendesign auf Basis bisheriger Erfahrungen und anhand der Wünsche des Webmasters erstellen und die Software für automatisierte A/B Tests würde das Design anschließend anhand des Kundenverhaltens auf der Seite in Echtzeit optimieren. Das … könnte die Zukunft sein.
Angesichts der hier aufgezeigten Möglichkeiten für ein conversionstarkes Webdesign durch Künstliche Intelligenz ist es nicht einfach, den verbleibenden Raum für menschliche Webdesigner auszuloten. Die Entwicklung könnte durchaus dahin gehen, dass KI in nicht allzu weit entfernter Zukunft sehr gut in der Lage ist, komplett selbstständig conversionstarke Designs zu entwickeln und zu optimieren.
Möglicherweise verbleibt den Designern irgendwann nur noch die Rolle des Störers, was durchaus positiv gemeint ist. Eine datengetriebene Designoptimierung optimiert funktionierende Ideen zu besser funktionierenden Ideen. Dass sie komplett neue Ansätze entwickelt, die vielleicht noch viel besser funktionieren, ist noch eher selten. Hier kommt dann doch menschliche Kreativität ins Spiel. Insgesamt bleibt aber der Eindruck, dass viele Aufgaben im Webdesign bereits jetzt bzw. schon bald der KI anvertraut werden können. Und das dürfte nicht unerhebliche Folgen für die Arbeiten im E-Commerce haben.
Julian Kleinknecht
Geschäftsführer & Gründer
Julian Kleinknecht hat viele Jahre Erfahrung in den Bereichen Web-Analyse und A/B-Testing und teilt sein Wissen oft bei LinkedIn.
Ansgar Sadeghi
Angar Sadeghi arbeitet bereits seit vielen Jahre als selbstständiger Online-Journalist und Texter. Ein Schwerpunkt seiner journalistischen Arbeit sind die Bereiche Online-Marketing und E-Commerce